Rechtspanne mit teuren Folgen: Die öffentlichen Kassen müssen nach Informationen des "Hamburger Abendblatts" auf Bußgelder vermutlich in dreistelliger Millionenhöhe verzichten. Der Grund: Die Bundesregierung hat bei der Änderung der neuen europäischen Lenk- und Ruhezeitenverordnung versäumt, auch die Bußgeldvorschriften in nationales Recht umzusetzen. Die Regelung trat zum 11. April in Kraft - ohne Bußgeldvorschrift. Deshalb können Verstöße der Brummifahrer gegen die Lenk- und Ruhezeitenverordnung nicht mehr geahndet werden. Das bestätigten die Hamburger Innenbehörde und der Europa-Abgeordnete Georg Jarzembowski (CDU) der Zeitung am Freitag.
Hamburg hat Zustellung von Knöllchen eingestellt
In Hamburg würden Bußgeldbescheide seit dem 11. April nicht mehr bearbeitet. Nach einem Urteil des Amtsgerichts Itzehoe, das die auf Verkehrsrecht spezialisierte Hamburger Anwältin Daniela Mielchen erstritten hat, gelte dies auch für alle noch offenen Bescheide. "Alle Bußgeldbescheide, die rückwirkend bis zu vier Jahren noch nicht abgeschlossen sind, müssen jetzt eingestellt werden", sagte Milchen dem "Hamburger Abendblatt". Das sei ein "Rechts-GAU". Sie gehe von hinfälligen Bescheiden in Höhe von 500 Millionen Euro aus.
Als erstes Gericht hatte gleich am 11. April das Amtsgericht Itzehoe einen Brummifahrer, der 1509 Euro zahlen sollte, freigesprochen, obwohl er schon Mitte 2006 gegen die Lenk- und Ruhezeiten verstoßen hatte. Aus "rechtlichen Gründen" könne sein Verhalten nicht mehr als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Grundlage dafür ist die Vorschrift, dass in Deutschland grundsätzlich das mildeste Gesetz, das im Laufe eines Verfahrens gilt, Anwendung findet. Wo es - wie jetzt kurzfristig - überhaupt kein gültiges Gesetz gibt, ist das natürlich das mildeste, was für alle noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Fälle gilt.
Europa-Abgeordneter: "Pläne seit vier Jahren bekannt"
Auch bei Jarzembowski, der im Verkehrsausschuss des Europa-Parlaments sitzt, löste die Rechtslücke Unverständnis aus: "Es ist äußerst peinlich, dass die deutschen Behörden eine Anpassung der Bußgeldvorschrift verpasst haben, denn seit vier Jahren wurde darüber debattiert und vor einem Jahr entschieden."