Vier Tage vor der Schlussabstimmung im Bundestag hat die SPD-Fraktion die umstrittene Arbeitsmarktreform einstimmig gebilligt. Dies teilte ein Fraktionssprecher nach einer Probeabstimmung mit. Es habe keine Gegenstimmen und keine Enthaltungen unter den vollzählig versammelten Abgeordneten gegeben.
Nach den Sondersitzungen der Fraktionen vom Montagabend über die Arbeitsmarktgesetze zeigte sich SPD-Fraktionschef Franz Müntefering überzeugt davon, dass die Koalition am Freitag bei der Abstimmung eine eigene Mehrheit erhält. Bislang habe keiner der Kritiker in den eigenen Reihen sich offen auf eine Ablehnung festgelegt. Den Abgeordneten, die sich bei ihm gemeldet hätten, sei es vor allem auf Klarstellungen angekommen.
Gestern hatten die Spitzen von SPD und Grünen eine Reihe von Änderungen an den Hartz-Gesetzen vereinbart. Verbesserungen im Sinne der Kritiker wurden besonders zur Schonung der Altersvorsorge von Arbeitslosen verabredet, zur Zumutbarkeit von Niedriglohnjobs und zur Unterstützungspflicht naher Verwandter.
Erfolg für Abweichler
Dennoch blieb zunächst offen, ob Parlamentarier am Freitag zumindest bei einigen Gesetzen mit einem Nein stimmen wollen. Die bayerische SPD-Abgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk, die bislang zu den schärfsten Reformkritikern in der Fraktion gehörte, nannte die Korrekturen einen großen "Schritt vorwärts". Der Grüne Winfried Hermann zeigte sich über den Kompromiss "positiv überrascht". In der heutigen Ausgabe der "Stuttgarter Nachrichten" sagte er: "Ich kann bedenkenlos zustimmen, zumal wichtige Forderungen von uns gleich in die Gesetzestexte übernommen worden sind."
Nach Ansicht der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer sind die Änderungen "noch nicht optimal", gehen aber "in die richtige Richtung". Es sei "eine Menge erreicht worden", sagte sie der "Berliner Zeitung".
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) sprach sich dafür aus, bei großen Reformthemen noch enger mit der CDU/CSU zusammenzuarbeiten. "Die Bürger erwarten, dass parteiübergreifende Lösungen gefunden werden. Eine zukunftsfeste Alterssicherung und eine Modernisierung des Föderalismus bekommt man nur mit beiden großen Volksparteien hin", sagte Steinbrück am Montagabend in der WDR-Sendung "Kreuzverhör".
Westerwelle: Kniefall des Kanzlers vor den SPD-Linken
Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hat die Reform-Zugeständnisse der SPD-Führung an potenzielle Abweichler in den eigenen Reihen als "Kniefall" kritisiert. "Die Agenda 2010 ist mit diesem Kompromiss weichgespült worden. Der Kanzler hat den Fraktionslinken Zugeständnisse gemacht, um seine Mehrheit zu retten", sagte Westerwelle am Montagabend in der NDR-Sendung "Talk vor Mitternacht".

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Damit würden die Reformen für den Arbeitsmarkt, die grundsätzlich in die richtige Richtung gewiesen hätten, nochmals verwässert. Die Zumutbarkeitskriterien in der Arbeitsvermittlung müssten jedoch spürbar verschärft werden. "Es ist doch völlig inakzeptabel, wenn Menschen angebotene Arbeit ablehnen, aber auf Staatskosten leben", meinte der FDP-Chef.
Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine kritisierte in der Sendung vor allem die seiner Ansicht nach fehlende soziale Justierung der geplanten Reformen. "Die Finanzierung des Sozialstaats ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Daran müssten sich alle beteiligen, und nicht nur die mittleren und kleinen Einkommen."