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Schlag 12 - der Mittagskommentar aus Berlin Andrea Nahles entzaubert Schröders Riester-Mythos

Arbeitsministerin Andrea Nahles räumt mit den Überbleibseln der rot-grünen Reformära auf. Ihr Rentenversicherungsbericht zeigt: Die Riester-Rente ist ein Flop.
Von Andreas Hoffmann

Sie hat es wieder getan. Andrea Nahles hat wieder ein Stück vom Schröder-Denkmal abgesägt. Diese Erinnerung an Gerhard Schröder. Der SPD-Kanzler, der das Land reformierte, darüber abgewählt wurde, aber den Wiederaufstieg Deutschlands ermöglichte. Eine schöne Geschichte, die die Genossen gern beschwören, nur leider stimmt sie nicht. So toll waren Schröders Reformen nicht, wie Andrea Nahles beweist. Anfang November stellte sie ein Programm für Langzeitarbeitslose vor, weil ihnen die vielgerühmten Hartz-Reformen eben nicht halfen. Sie fanden weiter nur schwer eine Arbeit.

Nun knöpft sich die ehemalige Juso-Chefin die Riester-Rente vor. Ihr am Mittwoch verabschiedeter Rentenversicherungsbericht watscht das rot-grüne Renommierprojekt ab. Der Bericht sagt nämlich, dass die Riester-Rente ein Flop ist. Natürlich sagt er es nicht so konkret. Das 72-seitige Werk samt Anhang liefert Zahlen, Statistiken und Prognosen, die beweisen: Die Riester-Rente ist ein Flop.

Es bleibt eine Lücke

Wieso? Das liegt an der Konstruktion. Die Riester-Rente sollte ein Nullsummenspiel sein. Der Staat kürzt die gesetzliche Rente, Riester füllt die Lücke auf und voila: Unterm Strich verliert keiner.

Leider hat die gute Idee nicht geklappt. Die Lücke, die der Staat bei der gesetzlichen Rente gerissen hat, füllt die Riester-Rente eben nicht auf. Das zeigt das Rentenniveau. Das ist ein komplizierter Prozentwert der ausdrücken soll: Wie viel Rente erhält ein Muster-Rentner - verglichen mit seinem Arbeitnehmergehalt, abzüglich der Sozialabgaben. Vor der Einführung der Riester-Reform lag dieser Prozentwert bei 52,6 Prozent. Doch im Jahr 2014 schaffen gesetzliche Rente plus Riester nur ein Niveau von 50,3 Prozent, bis 2028 sollen es 50,6 Prozent werden. Das Niveau vor der Reform wird nicht mehr erreicht, für den Ruheständler verbleibt eine Lücke.

Keiner dachte an Finanzkrisen

Wie groß die tatsächlich ist, lässt sich schwer sagen. Der Rentenbericht rechnet mit günstigen Faktoren. Die Experten unterstellen etwa, dass Riesterverträge nur zehn Prozent Verwaltungskosten haben und sich mit vier Prozent verzinsen. In der Realität werden viele Riester-Policen aber schlechter verzinst, haben höhere Verwaltungskosten. Viele Menschen haben ihre Policen auf Eis gelegt, weil sie sie nicht mehr bezahlen können; andere haben erst gar keine abgeschlossen. Es zeigt sich: Von der viel gerühmten Riester-Reform bleibt eine Rentenkürzung übrig. Mehr nicht.

Dass sich das Vorhaben zum Flop entwickelte, lag nicht nur an Rot-Grün. Damals, um die Jahrtausendwende, galt die gesetzliche Rente als Auslaufmodell; Privatversicherer und Banken versprachen eine Zukunft, in der sie Geld regnen lassen könnten. An eine Dauerphase niedriger Zinsen, an Bankpleiten, Finanz- und Eurokrisen dachte keiner. Heute hat die Finanzindustrie ihren Heiligenschein verloren, gilt sie als Krisenbranche, die am liebsten Steuergeld frisst.

Die Rechnung zahlen Sie und ich

Und nun? Die Riester-Rente abschaffen? Nein. Das würde die Bürger und die Versicherungsbranche nur weiter verunsichern. Nein, diese oder die nächste Regierung wird einen Teil der Rentenkürzungen rückgängig machen müssen. Andernfalls wird die Altersarmut in Zukunft stark steigen. Zahlen werden die Rechnung Sie und ich, über höhere Steuern oder höhere Rentenbeiträge. Zahlen werden die Rechnung vermutlich nicht die Profiteure der rot-grünen Rentenexperimente, die Versicherungsindustrie von Allianz und Co., die den Bürgern kaum taugliche Produkte verkauften. Oder der Versicherungsmanager Carsten Maschmeyer, der die private Altersvorsorge à la Riester mal mit einer "sprudelnden Ölquelle" verglich und Gerhard Schröder für dessen Biographie zwei Millionen Euro zahlte.

Als Anfang des Jahrtausends die CDU danieder lag, trat Angela Merkel an um die Scherben der Partei aufzuräumen. Das war der Beginn ihres Aufstiegs zu Kanzlerin. Nun räumt Andrea Nahles mit den Überbleibseln von Rot-Grün auf. Es könnte noch etwas aus ihr werden.

Andreas Hoffmann hat auch mal an die Riester-Rente geglaubt, wie so viele. Er wittert unter AndreasHoffman8.

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