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Rücktritt nach Plagiatsaffäre Schavan, Merkels einsame Freundin

Annette Schavan ist zurücktreten. Chancen auf ein Comeback tendieren gen null, da es ihr an Einsicht fehlt. Was ihr bleibt, ist der Kampf um den Doktortitel. Und auch der ist fast aussichtslos.
Ein Kommentar von Thomas Schmoll

Vielleicht kann sich Annette Schavan damit trösten, dass sich Angela Merkel als wahre Freundin erwiesen und allen gezeigt hat, wie schwer es ihr fiel, ihre Vertraute als Ministerin zu entlassen. Vielleicht kann sie sich damit trösten, dass die Kanzlerin eine Lobeshymne auf sie gesungen und sie zur bedeutendsten lebenden Bildungspolitikerin Deutschlands erklärt hat. Aber all der Trost wird nicht nachhaltig sein. Er wird nicht reichen, die Schmach des Rücktritts wegen eines - rechtlich und fachlich umstrittenen - Entzugs des Doktortitels zu vergessen. Merkels Worte werden Schavan nicht darüber hinwegtrösten können, dass sie abgestürzt ist und sehr bald vergessen sein wird. Da ist die Berliner Republik gnadenlos. Freundschaft hin oder her - Merkel blieb keine andere Wahl, als das Rücktrittsangebot anzunehmen, um die lästige Affäre loszuwerden.

Annette Schavan ist weg vom Fenster, wie das Volk zu sagen pflegt, wenn jemand von der Bildfläche verschwindet und ein Comeback aussichtslos erscheint. Sie hat nichts Großes hinterlassen, das in die Geschichtsbücher als "Schavan-Reform" oder "Schavan IV" eingehen wird. Merkels Einschätzung der Leistung ihrer scheidenden Ministerin als Bildungspolitikerin wird längst nicht von allen geteilt. Ihre Bilanz hebt sich kaum positiv von der anderer Mitglieder der schwarz-gelben Regierung ab. Sie ist eher dürftig. Ihr zum Prestigeprojekt erhobenes Deutschlandstipendium ist ein Flop. Vergangenes Jahr profitierten 0,25 Prozent aller Studierenden davon. Acht Prozent waren das erklärte Ziel Schavans.

Um Annette Schavan wird es bald einsam werden. Was ihr bleibt, ist der juristische Kampf um den aberkannten Doktortitel. Ihr Ruf und ihr Image sind beschädigt, vielleicht irreparabel. Sie wird zur einfachen Bundestagsabgeordneten und damit zum politischen Leichtgewicht. Auch wenn sie dem neu besetzten Parlament nach der Wahl im September wieder angehören sollte, wird das nichts daran ändern, dass ihre Chancen auf eine Rückkehr in wichtige Ämter marginal sind.

Kampf um den Doktortitel

Ein Sieg im Rechtsstreit mit der Universität Düsseldorf wäre dabei sicherlich hilfreich. Doch die Aussichten sind nicht gut. Abgesehen davon, dass sich der Konflikt monate- oder sogar jahrelang hinziehen wird, spricht viel dafür, dass die Richter die Position der Hochschule unterstützen. Die Beurteilung der Zitierverstöße obliegt den Universitäten. In früheren Urteilen haben es Gerichte ausdrücklich und strikt gemieden, deren Spielraum zu verringern. Daran wird kein Gericht im Grundsatz rütteln, darum geht es in dem juristischen Gezerre auch gar nicht, sondern allein um Formalitäten. Selbst wenn Schavan mit ihrer Klage durchkäme: Erhielte sie den Doktortitel aus formalen Gründen zurück, so wäre ihr Ruf nicht automatisch wiederhergestellt, sie würde nach wie vor als betrügerische Wissenschaftlerin gelten.

So oder so - ihre Integrität ist zerstört. Das ist alles andere als eine gute Voraussetzung für ein Comeback in herausgehobener Position, zumal Annette Schavan keine populäre Lichtgestalt und hofierte Hoffnungsträgerin ist, wie es Karl-Theodor zu Guttenberg einst war, ehe er wegen einer Plagiatsaffäre wesentlich größeren Ausmaßes - seine Doktorarbeit war beinahe eine einzige Abschreibe -, zurücktreten musste. Die CSU hat immer wieder versucht und träumt noch heute davon, Guttenberg in die Politik zurückzuholen. Das wird Schavan mit Sicherheit nicht passieren. Im Gegenteil wird manches CSU-Mitglied (selbst in der Parteispitze) frohlocken, dass es Schavan "erwischt" hat. Sie war es, die Guttenberg öffentlich Fehlverhalten bescheinigte, als sie erklärte, dass sie sich für den CSU-Mann "nicht nur heimlich schäme".

Trost mit Langzeitwirkung

Schavan hat bewiesen, dass sie mit politischen Niederlagen umgehen kann. Sie hat gezeigt, dass eine Stehauf-Frau in ihr steckt, als sie 2004/2005 in Baden-Württemberg den Machtkampf gegen Günther Oettinger um das Erbe von Erwin Teufel verlor. Schavan mischte - gefördert von Merkel - von da an stärker in der Bundespolitik mit. In Merkels Kabinett war sie faktisch gesetzt.

Doch damals in Baden-Württemberg galt Schavan als Opfer einer männerdominierten Politik. Nun gilt sie als Täterin ohne Fähigkeit zur Einsicht. Auch bei ihrer Rücktrittserklärung blieb sie ohne Wenn und Aber bei ihrer Haltung. Sie ignoriert und verneint jede Mitverantwortung, jede eigene Schuld, dass die Uni Düsseldorf ihr den Doktortitel aberkannt hat. "Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht", sagt sie immer und immer wieder. Auch ihren Rücktritt begründete sie formal und nicht mit irgendeiner Einsicht: "Wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden für mein Amt, für das Ministerium, die Bundesregierung und auch die CDU." Nur eine tiefe Verbeugung und eine öffentliche Entschuldigung vor dem Volk, die auch ihre Kritiker überzeugt, würde Annette Schavan die Chance auf ein Comeback eröffnen. Sie hat es also selbst in der Hand. Und das ist vielleicht ein Trost mit Langzeitwirkung.

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