Sie kleben ja bemerkenswert fest an diesem Politiker Roland Koch, die negativen Klischees. Dass er ein Äppelwoi-Berlusconi sei, gar eine Mischung aus Al Capone und Handkäs mit Musik.
Nehmen wir jedoch seinen Abgang, dann können Kochs Wähler stolz darauf sein, dass sie diesem Mann einmal die Stimme gegeben haben. So souverän wie Koch hat schon lange kein Berufspolitiker mehr - und das war der Mann, der bereits mit 14 Jahren in die Junge Union eingetreten ist - sein Amt aufgegeben und seinen Ausstieg begründet. Glaubwürdig begründet.
Er verlässt die politische Bühne nicht, weil sein Traum der Kanzlerschaft ihm unerreichbar erschiene. Mit seinen 52 Jahren hätte er sehr wohl abwarten können, wie sich die Zukunft von Angela Merkel gestaltet. Oder weil er nicht wenigstens Bundesfinanzminister werden durfte. Die ausgeprägte Rationalität, mit der er Politik gemacht hat, ließ er jetzt auch in eigener Sache gelten. Politik sei nicht sein Leben, begründet er seinen Ausstieg. Dahinter steckt Härte - auch gegen sich selbst.
Ein Konservativer mit Weitsicht
Kochs Image des politischen Kaltblüters ist geprägt worden von der populistischen Methode, mit der er vor einem guten Jahrzehnt die Macht erobert hat: die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Und es ist geprägt worden durch den unerschütterlichen Machtwillen, mit dem er sich in der hessischen Schwarzgeld-Affäre um das Versprechen der "brutalstmöglichen Aufklärung" herumgemogelt hat. Diese Wege der Machteroberung und der Machtverteidigung beförderten ihn in die Ecke des konservativen Hardliners. Charakterisierten ihn als Mann, der durch hemmungslosen Ehrgeiz gekennzeichnet sei.
Doch diese Kritik beschrieb nie die Persönlichkeit Kochs in Gänze. Gestandene Sozialdemokraten wie eingefleischte Grüne akzeptierten stets seine argumentative Stärke und sein Talent, auch über das eigene konservative Wertegerüst politisch hinaus zu denken. Dieser Koch holte sich, nur ein Beispiel, den links-grünen Sozialrichter Jürgen Borchardt in die Staatskanzlei, um das familienpolitische Programm seiner CDU aus der Enge der fünfziger Jahre und der frauenfeindlichen Formel "Kirche, Küche, Kinder" zu befreien.
Abgang zu einem fairen Zeitpunkt
Gerne hat der kopfgesteuerte Koch Ödon von Horvath mit dem Satz zitiert: "Eigentlich bin ich ganz anders, ich habe nur selten Zeit dazu." Jetzt nimmt er sie sich. Den Zeitpunkt hat er fair ausgesucht mit dem Ziel, Angela Merkel am wenigsten zu schaden. Nach der NRW-Wahl und fast ein Jahr vor der baden-württembergischen Landtagswahl. Wie und worüber er die Kanzlerin informiert hat, an der letztlich sein politischer Lebenstraum gescheitert ist, das verschweigt er. Er darf sich allerdings zugute halten, Merkel nach der um ein Haar verlorenen Bundestagswahl 2005 die gebotene Loyalität erwiesen zu haben.
Dass der scharfsinnige Analytiker zum Abgang noch einmal die stabile bürgerliche Mehrheit von CDU und FDP in Hessen beschworen hat, müsste die Kanzlerin gleichwohl als Mahnung verstehen. Bundesweit kann davon keine Rede mehr sein. Schwarz-Gelb kriselt allenthalben. Die Liberalen sind in eine katastrophale inhaltliche und personelle Schwäche gerutscht. Und die besten CDU-Köpfe wenden sich achselzuckend ab. Roland Koch weg, Friedrich Merz weg, Christian Wulff im landespolitischen Abseits. Peter Müller an der Saar nur um Haaresbreite nicht abgewählt. Jürgen Rüttgers wird wohl gehen müssen. Die Konservativen in der CDU werden mit Kochs Abgang noch ein Stück heimatloser, als sie es ohnehin schon sind. Gleiches gilt für die Wirtschaftsliberalen.
Er wird der deutschen Politik fehlen, dieser Roland Koch. Ein Mann, der noch die innere Selbstsicherheit besaß, sich selbst aus jener Welt zu entfernen, die bislang sein Leben war.