Schlag 12 - der Mittagskommentar aus Berlin Wir sind ein Volk von Korinthenkackern

Wo heute noch kein Verbot ist, wird demnächst eins sein. Deutschland erstickt an seiner Reglementierungswut. Und niemand wehrt sich.

In Frankfurt am Main hat in dieser Woche das Landgericht einen Fahrer des Smartphone-Dienstes Uber per Einstweiliger Verfügung gestoppt. Dem Mann wurde untersagt, Fahrgäste gegen Gebühr mitzunehmen. Ein Taxiunternehmer hatte geklagt. Bei Zuwiderhandlung droht dem Uber-Fahrer ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro. Wow, das ist mal ein Zeichen! Dafür könnte der Mann sich bequem etwa 2500 Mal dabei erwischen lassen, eine rote Ampel zu überfahren und würde immer noch kostengünstiger wegkommen. Will sagen: Dem Staat scheint es bitter ernst zu sein bei der Unterbindung des Tatbestandes "Fahrgastbeförderung ohne Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz". Der drakonische Richterspruch klingt irgendwie schwer nach: Wehret den Anfängen von zu viel Freiheit im Straßenverkehr! Tschuldigung, aber: Warum eigentlich?

Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat dieser Tage ermittelt, dass jeder Dritte Deutsche für ein gesetzliches Verbot von Lebkuchen, Glühwein und Weihnachtsliedern in Läden vor einem bestimmten Stichtag im Jahr ist. Zugegeben, das ist noch die Minderheit - aber sollte irgendjemand demnächst mal in Berlin auf die Idee kommen, derartige Geschmackssachen tatsächlich per Gesetz regeln zu wollen, ginge auch das problemlos durch wie der Schneidezahn durch die Schokoprinten - jede Wette. Die Deutschen haben sich ja auch schon ihre Glühbirne wegnehmen lassen ohne groß aufzumucken.

"Die Tragik des Totalitären"

Täuscht der Eindruck - oder hat sich der Verbotsstaat in unseren Köpfen bereits derart eingenistet, dass seine Reglementierungswut nur noch resigniert zur Kenntnis genommen wird? Oder, schlimmer noch, sind wir sogar schon einen Schritt weiter? Dort, wo uns irgendetwas was stört, soll der Staat für das sorgen, was er für Ordnung hält.

"Wer einmal damit angefangen hat, das Leben der Bürger in die richtige Bahn zu lenken, kann nicht auf halbem Wege stehen bleiben, das ist die Tragik des Totalitären", schreibt der Kollege Jan Fleischhauer nebenan im "Schwarzen Kanal". Weil er damit leider recht hat, muss einem um ein weiteres Anwachsen des Regelwerkes auf mittlere Sicht nicht bange sein. Der Verbotsstaat erzieht die Deutschen weiter zu einem Volk von Korinthenkackern.

Werde bei meiner nächsten Taxifahrt die Rückbank heimlich voll Weihnachtsgebäck krümeln. Irgendwie muss man ja Widerstand leisten.

Stern-Reporter Axel Vornbäumen isst Lebkuchen für sein Leben gern, würde aber nie auf die Idee kommen, sie vor Anfang Dezember in einem Laden zu kaufen. Wer ihm auf Twitter folgen will, kann das unter avornbaeumen tun.