Mit einer Regierungserklärung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung zum Weißbuch zur Sicherheitspolitik hat der Bundestag am Donnerstag seine Sitzung begonnen. In dem 170 Seiten starken Dokument wird die Zukunft der Bundeswehr als Armee im Einsatz skizziert. Das Kabinett hat das Weißbuch am Mittwoch verabschiedet. Jung machte anschließend deutlich, dass sich die große Koalition in dem 170 Seiten starken Dokument für eine Verfassungsänderung ausspricht, um den Einsatz der Bundeswehr gegen Terrorangriffe im Inneren zu erleichtern.
"Lückenhaft und schwammig"
Die Opposition im Bundestag hat das erste Weißbuch der Regierung zur deutschen Sicherheitspolitik seit zwölf Jahren als lückenhaft und schwammig kritisiert. Die Grünen beklagten am Donnerstag nach einer Regierungserklärung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), das Weißbuch gebe keine Antworten auf die Schlüsselfragen. SPD und Union hätten keine kritische Bilanz zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr gezogen. Die FDP sprach von einem "Dokument der verpassten Chancen". Außerdem bleibe unklar, wie die Regierung das Grundgesetz für Bundeswehreinsätze im Inland ändern wolle. Die Linksfraktion nannte das Weißbuch einen "Ausdruck von Militarismus" und setzte sich für die Auflösung der Bundeswehr ein.
Jung trat dem Eindruck entgegen, Deutschland könne angesichts der zahlreichen Auslandseinsätze als Weltpolizist bewertet werden: "Niemand wird den Anspruch erheben, dass wir so eine Art Weltpolizei darstellen." Den deutschen Interessen entspreche es aber, Bedrohungen dort abzuwehren, wo sie entstehen, bevor sie eine Gefahr für Deutschland würden. Deshalb seien derzeit 9000 Soldaten auf drei Kontinenten im Einsatz. Der Minister verteidigte das Vorhaben, die Bundeswehr im Inland einzusetzen, wenn die Mittel der Polizei im Bedrohungsfall nicht ausreichten. Dann müssten militärische Fähigkeiten genutzt werden, um die Bürger ausreichend zu schützen.
Strittig: EInsatz im Inland
Die FDP-Verteidigungsexpertin Birgit Homburger sagte, die Regierung habe viele Fragen nicht beantwortet. So bleibe unklar, ob sie etwa den im Grundgesetz in Artikel 115a beschriebenen Verteidigungsfall ausweiten wolle, um die Bundeswehr im Inland einzusetzen. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Kolbow sagte, seine Fraktion werde einer Grundgesetzänderung zustimmen, wenn es eine Klarstellung im Artikel 35 im Grundgesetz zur Amts- und Katastrophenhilfe gebe. Der SPD-Abgeordnete Hans-Peter Bartels sagte: "Jenseits klar definierter Ausnahmen bleiben die Hürden für einen Bundeswehreinsatz im Inland hoch."
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Bernd Siebert (CDU) betonte, die Union beabsichtige nicht, die Bundeswehr zu einer Hilfspolizei zu machen. Es gehe darum, die militärischen Fähigkeiten im Terrorfall im Inland einzubeziehen, die im Ausland ohne jegliche Probleme genutzt werden könnten.

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Grüne: Keine Richtungsentscheidung getroffen
Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Renate Künast, warf der Regierung vor, sie habe in dem Weißbuch keine Richtungsentscheidungen getroffen. So bleibe eine der wichtigsten Fragen unbeantwortet, wie die Bundeswehr beschaffen sein müsse, um die derzeitigen Auslandseinsätze überhaupt leisten zu können. Die Regierung habe das "Strukturdefizit" nicht definiert. Auch Siebert sagte: "Nicht jedes Problem ist mit Geld zu lösen. Aber mit Moral allein auch nicht."
Wolfgang Gehrcke von der Linksfraktion sagte, seine Fraktion sei generell gegen Auslandseinsätze, um die deutschen Soldaten auch vor Verrohung und Entmenschlichung wie bei der mutmaßlichen Totenschändung in Afghanistan zu schützen. Überhaupt solle die Bundeswehr mittelfristig aufgelöst werden. Der SPD-Abgeordnete Rainer Arnold meinte, diese Haltung habe "mit links und verantwortungsbewusst nichts zu tun". Eine Abschaffung der Bundeswehr würde Deutschland in die "völlige Isolation" treiben.