Wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel heute Abend Angela Merkel nach längerer Zeit mal wieder beim Koalitionsausschuss im Kanzleramt trifft, dann hat er eine Milliardenforderung im Gepäck, die überhaupt nicht populistisch ist, sondern schlicht - vernünftig. Sicher, über die Summe wird man streiten müssen, es könnte gern sogar noch ein bisschen mehr sein. Aber eine Milliarde ist eine Milliarde und das ist schon mal was. Und die Milliarde, die Gabriel aus der Bundeskasse den Kommunen überweisen will, weil er für den kommenden Winter mit einer Flüchtlingswelle rechnet, der schon heute kaum eine Stadt oder Gemeinde menschenwürdig Herr werden kann, die ist allemal gut angelegt.
Moment: Flüchtlingswelle? Ist das überhaupt der richtige Begriff? Wahrscheinlich schon. Denn mit den gegenwärtig 200.000 Menschen tut sich dieses Land ja offenkundig schon schwer genug. Sie werden als Belastung, nicht als Bereicherung begriffen. Und auch wenn sich Flüchtlingsinitiativen in vielen Orten rührend engagiert kümmern: Mit ein paar Decken und selbstgebackenen Plätzchen ist es auf lange Sicht nicht getan. Der Zustrom von Asylsuchenden stellt den Staat vor besondere Herausforderungen - und zu denen gehört auch, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der vorhandenen Aufnahmebereitschaft und einem Gefühl der Überforderung, das sich vielerorts breit zu machen scheint.
Rechter Tellerrand
In Sachsen, wo seit Wochen Tausende gegen die Errichtung neuer Flüchtlingsheim protestieren, hat CDU-Innenminister Markus Ulbig angekündigt, besondere Polizeieinheiten für straffällige Asylbewerber einrichten zu wollen. Das ist natürlich viel billiger als Gabriels Forderung - und es ist populistisch und moralisch billig. Es ist von jener armseligen Ignoranz, mit der von staatlicher Seite bisweilen auf komplexe Probleme reagiert wird.
Höchste Zeit, dass beim Thema Flüchtlingspolitik mal jemand nicht nur über den rechten Tellerrand schaut. Gabriels Milliarde ist vor diesem Hintergrund nachgerade eine freundlich angelegte Milliarde. Sie ist vorrausschauend, präventiv, ja, man könnte fast sagen: sozialdemokratisch. Sie ist: Siggis Soli.
Angela Merkel, die sozialdemokratischste Kanzlerin, die die Union je hatte, müsste davon eigentlich zu überzeugen sein. Alles andere wäre in höchstem Maße engstirnig.
Axel Vornbäumen findet nichts widerlicher als Proteste vor Flüchtligsheimen. Dem Autor kann man bei Twitter unter @avornbaeumen folgen.