Wenn man Kevin Kühnert etwas nicht vorwerfen kann, dann einen Mangel an Fantasie: Der Juso-Chef und Anführer der "#NoGroKo"-Bewegung legt viel Elan an den Tag, um eine Neuauflage von Schwarz-Rot zu verhindern. Auch nach dem Go der SPD zu den GroKo-Verhandlungen setzt der 28-Jährige seinen Kampf gegen das Bündnis fort, steckte für Parteieintritts-Aufrufe und virtuose Aktionen wie "Ein Zehner für die GroKo" aber auch scharfe Kritik ein. Kühnerts Kalkül: Neue Mitglieder, die gegen eine Koalition stimmen. Denn wenn Union und SPD einen Koalitionsvertrag ausgehandelt haben sollten, stimmt die Basis der Sozialdemokraten über das Ergebnis ab. Und damit über die Regierungsbildung.
Der Plan wurde auch von der SPD-Parteispitze, den Befürwortern einer Großen Koalition, kritisiert. Umso merkwürdiger erscheint nun eine Werbeanzeige. Wer "SPD Mitglied werden" in der Google-Suchmaske eingibt, stößt als erstes Ergebnis auf eine Anzeige, die glatt von den Jusos stammen könnte: "Jetzt SPD-Mitglied werden, dann entscheiden", heißt es dort. Versehen mit dem verheißenden Versprechen: "Stimme mit über die nächste Regierung Deutschlands ab."
Die Anzeige führt ohne Umwege zu einem Online-Formular, über das eine Mitgliedschaft in der SPD abgeschlossen werden kann.
"Immer guter Zeitpunkt, um Mitglieder zu werben"
"Tritt ein, sagt Nein!", heißt ein weiteres Motto der Jusos. Die Google-Anzeige stammt allerdings von der SPD, wie ein Parteisprecher dem stern bestätigt. Wie passt das zusammen, kritisierte doch etwa SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ("reduziert Wert einer Mitgliedschaft") die Rekrutierungskampagne der Jusos? Geht die SPD-Parteiführung nun in die Gegenoffensive, um "Ja"-Stimmen für eine GroKo einzusammeln?
"Die Anzeige richtet sich an Interessierte, die dauerhaft Mitglied der SPD werden wollen", erläutert ein Sprecher dem stern. Von der Deutung, man wolle nun ebenfalls schnelle Neumitglieder werben, um "Ja"-Stimmen zu sammeln, nimmt man Abstand. Allerdings macht der Zeitpunkt stutzig, an dem die Google-Anzeige scharf geschaltet wurde: nach dem SPD-Parteitag, bei dem das Pro-GroKo-Lager nur knapp einen Sieg einfuhr. "Es ist immer ein guter Zeitpunkt, für neue Mitglieder zu werben", so der Parteisprecher, "die offene Debattenkultur der SPD, die sich auch beim Parteitag gezeigt hat, hat viele fasziniert. Das hat uns gezeigt, dass ein klares Interesse an einer Mitgliedschaft besteht." Man werbe auch außerhalb des Mitglieder-Votums für einen Eintritt in die Partei, heißt es weiter.
Man freue sich über jedes neue SPD-Mitglied. Aber ...
In der SPD-Spitze regt sich Widerstand gegen den Versuch der Jusos, eine Koalition mit der Union durch den Parteieintritt zahlreicher "GroKo"-Gegner zu sprengen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kündigte einen Stichtag an, ab dem eine Beteiligung an dem geplanten Mitgliederentscheid erst möglich sein soll.
Er freue sich über jedes neue Mitglied, sagte Klingbeil am Mittwoch im RBB-Inforadio. Aber: "Was nicht geht, ist, wenn man jetzt sagt, tritt ein für zehn Euro, dann bleibst du zwei Monate Mitglied, stimmst gegen die große Koalition und gehst dann wieder raus." Eine solche Aktion reduziere den Wert der SPD-Mitgliedschaft. Als Antwort auf die Juso-Aktion kündigte Klingbeil eine Stichtagsregelung an. Der Parteivorstand werde ein Eintrittsdatum festlegen, ab dem man nicht mehr stimmberechtigt sei. Ein konkretes Datum steht demnach noch nicht fest. Sein Ziel sei es aber nicht, Neumitglieder von der Abstimmung abzuhalten, die "ernsthaft" die Politik der SPD mitgestalten wollten, fügte der Generalsekretär hinzu. Auch der Bundesvorsitzende der Jusos, Kevin Kühnert, hat deutlich gemacht, ihm gehe es darum, Menschen dauerhaft für die SPD zu gewinnen.
Das SPD-Versprechen "Jetzt SPD-Mitglied werden, dann entscheiden" hat offenbar mehrere Lesarten.