SPD-Parteitag "Kollektive Unvernunft" bringt Schröder auf die Palme

Der Denkzettel bei den Vorstandswahlen auf dem SPD-Parteitag hat bei führenden Sozialdemokraten Verärgerung ausgelöst. Vizeparteichef Wolfgang Thierse rief am Dienstag zu mehr Nüchternheit auf.

Der Denkzettel bei den Vorstandswahlen auf dem SPD-Parteitag hat bei führenden Sozialdemokraten Verärgerung ausgelöst. Vizeparteichef Wolfgang Thierse rief am Dienstag zu mehr Nüchternheit auf. Der Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering zeigte sich "überhaupt nicht glücklich" über die Ergebnisse von Generalsekretär Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, die beide nur eine knappe Mehrheit erhielten.

"Vollständig legitimiert" Scholz sieht trotzdem genügend Rückhalt, um sein Amt weiterzuführen. Er fühle sich auch mit gut 52 Prozent Zustimmung noch "vollständig legitimiert". Der Parteivorsitzende, Bundeskanzler Gerhard Schröder, hatte ihm zuvor sein Vertrauen ausgesprochen.

Der Kanzler ist sauer Scholz hatte am Montagabend nur 52,6 Prozent der Delegiertenstimmen erhalten, Clement wurde mit 56,7 Prozent zum SPD-Vize gewählt. Schröder, der als Parteichef ebenfalls deutliche Stimmenverluste hinnehmen musste, reagierte auf die Ergebnisse ungehalten. in dem schlechten Wahlergebnis ein Zeichen "kollektiver Unvernunft". Dabei hätten die Delegierten "undiszipliniert" entschieden, sagte Schröder am Dienstag vor Journalisten in Bochum. Scholz werde seine Arbeit als Generalsekretär der Partei weiterführen Es sei normal, dass sich Enttäuschung über schlechte Wahlergebnisse an Personen ablade, sagte der Kanzler im ZDF. Solche Resultate machten nicht unbedingt schwächer, "sie können auch stärker machen".

Scholz sagte, angesichts der "sehr anstrengenden Reformpolitik" habe er bereits eine Vermutung gehabt, wie seine Wahl in Bochum ausgehen könnte. "Für mich ist das Ergebnis keines, mit dem ich nicht gerechnet habe." Er wolle sich auch künftig nicht auf Kosten anderer profilieren: "Ich werde die Partei nicht gegen Fraktion und Regierung führen", erklärte der Generalsekretär.

Thierse wünscht sich mehr Leidenschaft Bundestagspräsident Thierse sagte dem Fernsehsender Phoenix, er hätte sich mehr Leidenschaft in der Sache statt bei den Wahlen gewünscht. "Ich hätte es viel besser gefunden, wenn in der Sachdebatte die Fetzen geflogen wären und dann die Delegierten in der Personalabstimmung viel nüchterner reagiert hätten."

Müntefering sagte auf Phoenix, Scholz und Clement hätten mehr Unterstützung verdient. "Die Partei muss lernen, dass wir seit 30 Jahren zum ersten Mal wieder einen Wirtschaftsminister haben. Und ein solcher Wirtschaftsminister wie Wolfgang Clement muss auch wirtschaftliche Interessen in seine Politik einbeziehen und das deutlich machen." Das Ergebnis Schröders bezeichnete Müntefering als "ordentlich" und "ehrlich".

"Es ist manchmal gut, wenn sich die Wolke einmal ausregnet" Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck erklärte zum Abschneiden des Generalsekretärs: "Es ist manchmal gut, wenn sich die Wolke einmal ausregnet, weil dann die Sonne wieder durch kann." Seine eigene Rolle in der SPD sieht Beck auch in der Unterstützung von Scholz. Wenn alle Mitglieder der SPD-Spitze für die Positionen der Partei werben, sei das wirksamer, als wenn es nur einer mache.

Die SPD setzte die Wahlen am Dienstag fort. Bereits im ersten Wahlgang kamen 14 Kandidaten mit absoluter Mehrheit in den 45-köpfigen Vorstand. Die höchste Stimmenzahl erreichte der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck. Am zweitbesten schnitt die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis ab. Bundesfinanzminister Hans Eichel schaffte es ebenso im ersten Wahlgang wie Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Neu in die Führungsspitze gewählt wurden der Juso-Vorsitzende Nils Annen und der bayerische SPD-Fraktionschef Franz Maget.

AP
AP, dpa