Bundeskanzler Gerhard Schröder ist nicht mehr grundsätzlich gegen ein Vorziehen der dritten Steuerreformstufe von 2005 auf 2004. Allerdings knüpft er einen solchen Schritt wie sein Finanzminister Hans Eichel (SPD) an mehrere Bedingungen. Der Kanzler sagte am Montag vor Beginn einer Sitzung des SPD-Präsidiums in Berlin, wenn ein Vorziehen durch Subventionsabbau gegenzufinanzieren sei, könne man mit ihm darüber reden. Unklar blieb indessen, wie sich die Union in diesem Fall verhalten will.
Agenda 2010 hat Vorrang
Schröder sagte weiter, Vorrang habe aber die Umsetzung der strukturellen Reformen in der "Agenda 2010" und der Entwurf für einen verfassungsgemäßen Haushalt 2004. "Wenn dann darüber hinaus das Vorziehen der Steuerreform so solide zu finanzieren ist, wie Hans Eichel sich das vorstellt, nämlich durch Subventionsabbau, und wenn es konjunkturgerecht geht, also keineswegs durch Steuererhöhungen an anderer Stelle, dann kann man mit mir darüber reden. Dann würde ich das für wünschenswert halten." Die jetzige Debatte dürfe aber nicht als Ausrede benutzt werden, um die Agenda nicht umsetzen zu müssen.
Entscheidung noch im Juni
Die Regierungskoalition wird laut SPD-Fraktionschef Franz Müntefering über vorgezogene Steuererleichterungen "noch in diesem Monat Klarheit schaffen". Damit deutete er an, dass eine Entscheidung auf der Kabinettsklausur vom 27. bis 28. Juni zu erwarten ist. Wenig Chancen sehe er für die Forderung von SPD-Fraktionsvize Michael Müller, diese Entlastung nur auf untere und mittlere Einkommen zu beschränken, sagte Müntefering zu Beginn einer Fraktionssitzung.
Steuerbefreiung für Nacht- und Sonntagszuschläge
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz meinte dazu, es zeichne sich eine Tendenz ab, das Vorziehen der dritten Steuerreformstufe "entweder ganz oder gar nicht" zu machen. Eine "Aufspaltungsdiskussion" mache keinen Sinn. Scholz ging auf Distanz zu Forderungen, im Zuge des Subventionsabbaus die Steuerbefreiung für Nacht- und Sonntagszuschläge aufzuheben. Ebenso wich er Fragen nach einem Abbau der Steinkohlesubvention aus.
Der Sprecher des Finanzministeriums, Jörg Müller, sagte, die Chefgespräche über den Haushalt 2004 würden in dieser Woche noch abgeschlossen. Die Verhandlungen liefen "konstruktiv und ruhig". Regierungssprecher Bela Anda unterstrich, der Haushaltsentwurf müsse verfassungsgemäß sein und "strukturell zur „Agenda 2010“ passen". Das eine schließe das andere nicht aus.

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FDP: CDU darf nicht der Bremser sein
FDP-Chef Guido Westerwelle warnte die Union davor, in der Debatte über vorgezogene Steuerentlastungen die Bremserrolle zu übernehmen. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff forderte die Union auf, sich in dieser Diskussion um mehr Einheitlichkeit zu bemühen. "Wir können diesem Theater, das uns die rot-grüne Bundesregierung aufführt, nicht ein eigenes entgegensetzen", sagte der niedersächsische Ministerpräsident im Deutschlandfunk.
CDU nennt Vorbedingungen
CDU-Chefin Angela Merkel will vorgezogene Steuerentlastungen mittragen, wenn es strukturelle Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialwesen sowie weniger Schulden und einen Subventionsabbau gibt. CSU-Chef Edmund Stoiber hatte sich deutlich zurückhaltender geäußert. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sprach sich zunächst dagegen aus, eine vorgezogene Steuerreform mitzutragen. Am Montag argumentierte er ähnlich wie Merkel und nannte Sozial- und Arbeitsmarktreformen als "unverzichtbare Vorbedingungen". Zudem dürften keine neue Schulden aufgenommen werden.
Belebende Wirkung
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt erwartete in der "Bild"-Zeitung von einem Vorziehen der Steuerreform "einen dringend benötigten Impuls für ein Anziehen des Wirtschaftswachstums". ver.di-Chef Frank Bsirske sagte: "Das Vorziehen der Steuerreform vor allem bei kleineren und mittleren Einkommen belebt die Wirtschaft."