Kein Mitleid verdienen die schwarz-gelben Koalitionäre, wenn sie jetzt von den schwerwiegenden Folgen ihrer großmundigen Wahlversprechen eingeholt werden. Wie schlecht es um die Staatsfinanzen - und zwar von Bund, Ländern und Kommunen - bestellt ist, war schließlich schon lange vor der Bundestagswahl bekannt. Die Kanzlerin hat genau gewusst, weshalb sie sich nur überaus vage den flotten Ankündigungen von CSU und FDP in Sachen Steuersenkung angeschlossen hat.
Umso weniger kann akzeptiert werden, wie mit dem sensiblen Thema bisher umgesprungen wird. Da prescht der angeschlagene CSU-Chef Seehofer nach vorne und verspricht im Alleingang die Senkung der Einkommensteuer auf jeden Fall ab 2011. Wie sie finanziert werden soll, darüber sagt er kein Wort - weil er es eben auch nicht weiß.
Schattenhaushalt
Regieren aus der Trickkiste: Wenn das Geld im regulären Haushalt knapp wird, gibt es die Möglichkeit, daneben einen zweiten Haushalt einzurichten: den Schattenhaushalt. Mit diesem Sonderfonds können dann nach Bedarf diverse Haushaltslöcher gestopft werden. Ohne großen bürokratischen oder legislativen Aufwand. Das macht ihn so attraktiv, denn man spart sich das harte Ringen um einen Nachtragshaushalt, der erst wieder vom Bundestag abgesegnet werden muss. Oder die Anhebung von Steuern und Abgaben. Ganz zu schweigen von der politischen Botschaft hinter so einer Maßnahme, schließlich wird die akute Notlage einer Regierung nach Außen hin sichtbar. Das große Problem: Von sauberer Haushaltsführung kann nicht mehr die Rede sein, da große Beträge ohne Sachbindung am regulären Haushalt vorbeigebucht werden. Dem Bundestag wäre die Kontrolle über die Geldflüsse entzogen. Die neue schwarz-gelbe Regierung plant einen Schattenhaushalt in Höhe von 50-60 Milliarden Euro, um die zu erwartenden Defizite bei den Sozialversicherungen auszugleichen.
Tricklösungen verbieten sich
Ratsam wäre, wenn sich die künftige Koalition dem Thema Steuersenkung in vernünftigeren Schritten annäherte. Der erste müsste darin bestehen, die Bestimmungen der Unternehmenssteuerreform von 2008, die die Wirtschaftskrise beschleunigt haben, zu mildern. Sprich: Abbau der Zinsschranke, die den Verlustabzug von Zinskosten beschränkt. Ebenso müssten Verluste übernommener Firmen schneller abgeschrieben werden können. Hierher gehörte ferner die Korrektur der Erbschaftssteuer. Dass Familienbetriebe nur dann steuerfrei vererbt werden können, wenn die Zahl der Mitarbeiter auf Jahre hinaus nicht sinkt, ist eine wirtschaftspolitisch unsinnige Festlegung.
Für alle anderen Probleme muss gelten, dass sie nur mit vernünftigen Zeithorizonten gelöst werden können. Tricklösungen jeder Art verbieten sich. Fest steht doch, dass der Bundesanstalt für Arbeit alsbald Milliarden fehlen und der viel gerühmte Gesundheitsfonds an einem ebenso gewaltigen Defizit leidet. Wie diese Löcher gestopft werden können, ist im Prinzip einfach. Rauf mit den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, natürlich nur bei den Arbeitnehmern, und rauf mit den Beiträgen der Versicherten zur Krankenkasse.
Sondervermögen
Nicht alles, was Bund und Ländern gehört, wird auch in deren Haushalten verbucht. Die für besondere Aufgaben eingerichteten Sondervermögen des Bundes beispielsweise sind aus dem Bundeshaushalt ausgegliedert. Dazu gehören die Versorgungsrücklage und die Erblastentilgung ebenso wie der im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise eingerichtete Fonds zur Finanzmarktstabilisierung. Anfallende Ausgaben in diesen Bereichen belasten damit nicht mehr das laufende Budget des Bundes. Auch die Länder und Kommunen können solche Sondervermögen einrichten. Die Rechtsgrundlage bildet das Haushaltsgrundsätze-Gesetz (HGrG).
Alle Schuld der SPD
Natürlich scheuen die Politiker davor zurück, so offen unpopulär zu argumentieren. Denn dann müssten sie einräumen, dass am Ende ihre möglichen Steuerersparnisse aus der Korrektur der Einkommensteuer blitzschnell wieder in anderen Staatstaschen verschwinden. Aber unterm Strich wird es am Ende genau so kommen.
Aber wenn das schon so sein muss, sollten die Finanzpolitiker die Bürger nicht auch noch mit plumpen Täuschungsmanövern bedienen. Genau dies aber ist der Fall, falls tatsächlich die Schulden über einen dritten Nachtragshaushalt 2009 in einen Sondertopf zur Sicherung der Sozialsysteme abgeschoben werden. Mit dem Trick will sich die CDU/CSU aus ihrer politischen Mitverantwortung für ihr Verhalten im Kampf gegen die Wirtschafts- und Währungskrise herausmogeln. Kess nach der Devise: Alle Schuld der SPD.

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Das ist absolut unredlich. Sanieren lässt sich der Staatshaushalt nicht mit derartiger Schummelei, mit der die Geldlöcher nur in eine getarnte Umgebung verschoben werden. Wer trotz der hohen Verschuldung mehr Geld ausgeben will, muss erst einmal mit dem Sparen anfangen. Doch bislang ist nichts zu hören darüber, wann es denn an welche Subventionstöpfe gehen soll.