Von Angela Merkel ist nichts zu sehen und zu hören. Von SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier ist auf seiner Sommerreise ein wenig zu sehen, aber so gut wie nichts zu hören - zumindest nichts Neues. Wahlkampf, genauer: Wahlkampfgeschrei, machen nur die Krankenkassen. Rufen nach einer zusätzlichen Finanzspritze von einer Milliarde aus der Staatskasse und malen hemmungslos das Schreckgespenst der Schweinegrippe an die Wand, die sozusagen die ganze Nation aufs Krankenlager wirft.
Das ist Wahlkampf pur. Eine Veranstaltung, in der die Kassen nicht einmal vor der Peinlichkeit zurück schrecken, der Politik schon mal vorsorglich für den ersten Schweinegrippe-Toten die Verantwortung zuzuschieben. Mit Polemik soll die Politik gezwungen werden, entweder den einheitlichen Kassenbeitrag entweder zu erhöhen oder aber die kommenden Impfkosten aus der Steuerkasse zu bezahlen.
Bislang milde Krankheitsverläufe
Was da der Öffentlichkeit präsentiert wird, ist hysterisch aufgemotztes Kampfgeschrei der im Augenblick durchaus finanziell sanierten Krankenkassen. Ihre überaus gesund bezahlten Cheffunktionäre versuchen in den Wochen vor der Bundestagswahl politischen Druck aufzubauen. Man kann nur hoffen, dass die Politik sich nicht davon beeindrucken lässt.
Im Augenblick weiß niemand genau, was die Schweinegrippe und die Impfung kosten wird. Das Gesundheitsministerium geht derzeit von 500 bis 550 Millionen Euro Impfkosten aus. Noch weiß auch niemand genau, wie gut und wie teuer der neue Impfstoff sein wird. Bisher sind die Krankheitsfälle in der Bundesrepublik überaus milde verlaufen. Und dass am Wochenende ein Fußballspiel in der Regionalliga nicht stattfinden darf, ist ebenfalls kein Grund jetzt schon in Hysterie zu verfallen.
Einstimmung auf Zusatzbeiträge
Hinter dem verbalen Aufwand der Krankenkassen steckt nur ein Motiv: Sie wollen schon mal ihre Kunden auf Zusatzbeiträge einstimmen, mit denen bestimmte Kassen ab nächstem Jahr aufwarten müssen. Und in diesen Fällen wollen sie vor allem davon ablenken, dass sie selbst nicht rechnen können. Tatsache ist, dass die Kassen derzeit auf vollen Kassen sitzen. Wer in Zukunft wann und wie tief in die roten Zahlen rutscht, darf man in aller Ruhe abwarten.
Weil das gesamte System keineswegs mit Unterdeckung arbeitet, müssen in Geldnot geratene Kassen erst einmal ihre Bücher offen legen. Jetzt schon den Deckel vom Topf zu nehmen und mit Blick auf eine - in ihren Kosten absolut unübersehbare - Schweinegrippe eine generelle Beitragssatzerhöhung zu beschließen, ist eine gesundheitspolitische Billignummer.
Verwaltung und Wettbewerb
Die Grippeangst wird von den Kassen missbraucht. Dass die Beiträge auch eng mit den Arbeitskosten zusammenhängen und damit einen Einfluss auf den Erhalt von Arbeitsplätzen haben, blenden die Kassenfunktionäre vollkommen aus. Und schon gar nicht sind sie offenbar bereit, ihre eigene Verwaltungsleistung dem frischen Wind des Wettbewerbs auszusetzen.
Insofern wollen wir jetzt erst einmal hören, mit welchen Argumenten bestimmte Kassen Zusatzbeiträge begründen. Als zumindest symbolischen finanziellen Ausgleich könnte man in diesem Fall auch etwas einfordern: Einen Abzug bei den Gehältern der Kassenfunktionäre.