Superwahljahr 2004 Marathon für Wähler

Mit der vorgezogenen Bürgerschaftswahl am 29. Februar läutet Hamburg das Superwahljahr 2004 ein. Das aber ist längst nicht alles, was auf der Agenda steht: Insgesamt 14 Wahlen werden Wahlkämpfer und Bürger kaum zur Ruhe kommen lassen.

Die Schlacht um Agenda 2010 und Steuerreform ist geschlagen, doch den Parteistrategen wird keine Atempause gegönnt: Noch früher als ohnehin geplant wird Deutschland in diesem Jahr wieder von Wahlkampfgetöse beherrscht sein, denn schon am 29. Februar steht ja die nach dem Desaster der Schill-Partei ausgerufene Neuwahl in Hamburg an. Das aber ist noch längst nicht alles, was im Superwahljahr 2004 an Terminen auf der Agenda steht: Insgesamt 14 Wahlen, nämlich die Europawahl, fünf Landtagswahlen und dazu auch noch acht Kommunalwahlen werden die Wahlkämpfer kaum zur Ruhe kommen lassen.

Den größten Stress dürften sie wohl vor dem 13. Juni haben, denn das wird zweifellos der Superwahltag sein: An diesem Sonntag ballen sich die Wahl des Europarlaments, die Landtagswahl in Thüringen sowie Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Nur zwei Wochen später folgen dann am 27. Juni auch Kommunalwahlen in Thüringen. Und nach der Sommerpause geht es munter weiter mit der Landtagswahl im Saarland am 5. September, Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am 19. September und den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 26. September.

Hamburg macht den Anfang

Der Reigen wird mit der Hamburger Landtagswahl eröffnet: Nach dem Bruch der Koalition aus CDU, FDP und Schill-Partei hatte sich die Bürgerschaft am 30. Dezember selbst aufgelöst. Als Wahltermin ist der Schalttag 29. Februar vorgesehen.

Bürgermeister Ole von Beust schwimmt nach Aufkündigung des Pakts mit der von Selbstzerfleischung geprägten Schill-Partei auf einer Woge der Sympathie. Nach Umfragen kann die CDU auf einen Zuwachs von 26,2 auf über 40 Prozent hoffen. Dennoch ist fraglich, ob das zum Weiterregieren reicht, wenn FDP und die Nachfolgeorganisationen der Schill-Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Erhalten SPD und Grüne zusammen mehr Stimmen als die Christdemokraten, könnte dann SPD-Spitzenkandidat Thomas Mirow neuer Bürgermeister werden.

Da hat der Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus mit 51,0 Prozent CDU-Stimmen bei der letzten Landtagswahl eine bessere Ausgangsbasis. Allerdings geht der Nachfolger Bernhard Vogels am 13. Juni erstmals in eine Wahl und sieht sich mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Christoph Matschie, auch einem neuen SPD-Herausforderer gegenüber. Dieser hofft, zumindest die Schlappe wettmachen zu können, dass die Sozialdemokraten 1999 mit nur 18,5 Prozent noch hinter der PDS (21,3 Prozent) landeten. Letztere hat mit Fraktionschef Bodo Ramelow erstmals einen eigenen Ministerpräsidentenkandidaten aufgestellt.

Auch im Saarland, wo am 5. September gewählt wird, geht mit Peter Müller ein CDU-Regierungschef ins Rennen, der im Landtag über die absolute Mehrheit verfügt. Allerdings nur die der Sitze, denn mit 45,5 Prozent hatte seine Partei 1999 nur ganz knapp die Nase vor der SPD (44,4 Prozent), während FDP und Grüne scheiterten. Inzwischen haben die Sozialdemokraten entschieden, mit ihrem Landesvorsitzenden Heiko Maas an der Spitze ins Rennen zu gehen. Der zwischenzeitlich auch dafür gehandelte frühere Parteichef Oskar Lafontaine will ihn unterstützen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Doppelwahl in Brandenburg und Sachsen

Am 19. September folgt dann die Doppelwahl in Brandenburg und Sachsen. In Brandenburg muss der mit einer großen Koalition regierende Ministerpräsident Matthias Platzeck bangen, ob die SPD wie 1999 noch unter Manfred Stolpe (39,3 Prozent) wieder stärkste Partei wird. Innenminister Jörg Schönbohm will jedenfalls die 26,5 Prozent der CDU vom letzten Mal deutlich ausbauen und möglichst selbst Regierungschef in Potsdam werden.

In Sachsen geht mit dem CDU-Politiker Georg Milbradt ebenfalls ein neuer Ministerpräsident in den Wahlkampf. Der Nachfolger Kurt Biedenkopfs kann auf ein Polster von 56,9 Prozent bei der letzten Wahl bauen. Die SPD, die 1999 mit 10,7 Prozent auf ein Rekordtief gefallen war, entscheidet erst am 1. Februar per Urwahl, ob sie mit der Landesvorsitzenden Constanze Krehl oder Fraktionschef Thomas Jurk als Spitzenkandidat antreten wird.

Wahl des Europaparlaments am 13. Juni

Bundespolitische Bedeutung wird der Wahl des Europaparlaments am 13. Juni beigemessen, schon weil sie als einzige im kommenden Jahr in ganz Deutschland stattfindet. Allerdings ist die Wahlbeteiligung dabei erfahrungsgemäß recht niedrig.

Die SPD hat den Europaparlamentarier Martin Schulz zum Spitzenkandidaten gewählt, der im Sommer mit seiner Kritik am italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi Furore gemacht hatte. Die CDU hat Landeslisten aufgestellt, wobei der Listenführer in Nordrhein-Westfalen und langjährige Europa-Abgeordnete Elmar Brok indirekt als Spitzenmann gilt. Die Grünen-Liste führen die Niedersächsin Rebecca Harms und der Deutschfranzose Daniel Cohn-Bendit an. Die FDP will im Januar die 32-jährige Unternehmensberaterin Silvana Koch-Mehrin zur Spitzenkandidatin wählen.

DPA
Gerhard Kneier