Mir sind sie ein ziemliches Rätsel, die Ermittlungen gegen Journalisten, die Bundestagspräsident Norbert Lammert angestoßen hat. Aber sie schlagen Wellen, die Strafverfahren gegen Journalisten, die aus Dokumenten des BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages zitiert haben sollen. Sogar die ehrwürdige Bundespressekonferenz - sonst macht sie eher mit dem Abhalten von Journalistenbällen von sich reden - hat öffentlich protestiert. Nur, leider hat die öffentliche Aufregung bisher wenig zur Erklärung der Affäre beigetragen.
Ein bisschen Erhellung bringen jetzt immerhin taz und Kölner Stadt-Anzeiger. Sie beschäftigen sich mit der Frage, was eigentlich aus den Ermittlungen wurde, die Lammert wegen BND-Ausschussunterlagenzitierverdacht (offiziell: Beihilfe zum Geheimnisverrat) bereits im vergangenen November ausgelöst hatte und die seit Januar die zwei stern-Kollegen Uli Rauss und Oliver Schröm sowie mich betreffen - wegen eines Artikels zu dem von der CIA entführten Neu-Ulmer Khaled el-Masri vom September 2006. Zeitgleich mit Ermittlungen, zu denen Lammert damals der Staatsanwaltschaft wegen eines Artikels der "Financial Times Deutschland" seine "Ermächtigung" erteilt hatte. Ja, der Terminus ist "Ermächtigung".
Taz und Kölner Stadt-Anzeiger schreiben nun, die Hamburger Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen gegen uns stern-Redakteure bereits im Februar wieder einstellen wollen und deshalb Lammert angeschrieben. Aber der Untersuchungsausschuss unter dem Vorsitzenden Siegried Kauder und mit den Stimmen von Union und SPD habe im März auf den Ermittlungen bestanden.
Aber warum tun dann einige in SPD und CDU so, als seien sie heute schwer schockiert, dass auch Journalisten von Strafermittlungen betroffen sind? Und eine andere Frage, für die mir die Antwort fehlt: Warum kümmerten sich Kauder, Lammert und Co nicht darum, als wir (wie damals ein paar wenige andere Kollegen) im März 2006 breit aus dem eindeutig geheimen Regierungsbericht zu den mutmaßlichen CIA-Entführungen berichteten, den das Parlamentarische Kontrollgremium im Februar bekommen hatte? Warum scherten sie sich nicht, als wir im April 2006 erneut aus diesem Papier zitierten?
Warum ermächtigte Lammert auch nicht, als wir im Oktober 2006 über ein bis dato unbekanntes US-Geheimgefängnis im bosnischen Tuzla und den Fall des Münchner Ägypters Abdel Halim Khafagy berichteten, gestützt eindeutig auf Papiere, die bis dato unbekannt und zweifelsfrei geheim waren? (Jetzt kann man es ja sagen. Diese potentiellen Straftaten sind verjährt...)
Wenn es dem BND-Ausschuss und Norbert Lammert um die Verfolgung des Geheimnisverrats geht: Warum lassen sie nur in einigen Fällen ermitteln, in anderen aber nicht? Geht es also gar nicht um den Geheimnisverrat?
Gewiss, der Autor dieses Blogs hat schon gefährlichere Attacken auf den Schutz seiner Quellen erfahren als diese. Dank des Ende Februar ergangenen "Cicero"-Urteils sind in Deutschland auch keine leichtfertigen Razzien in Redaktionsräumen mehr zu befürchten.
Dass es weniger Proteste als heute gab, als im Januar die vom Bundestag angestoßenen Ermittlungen gegen uns und den FTD-Kollegen bekannt wurden – wahrscheinlich normal. Der Redakteur denkt an sich selbst zuerst. Auch wenn es etwas kurios war, wie etwa das "Handelsblatt" im Februar den stern sogar dafür bekrittelte, dass er diese Ermittlungen gegen die eigenen Redakteure publik gemacht habe. Die es - so behauptete es ein "Handelsblatt"-Regierungskorrespondent - wegen eines im "Faksimile" abgedruckten Geheimdokumentes gegeben habe. Wer immer das dem Kollegen erzählt haben mag, er hätte die Info besser vor Veröffentlichung nachgeprüft. Zum Beispiel via stern-Lektüre. Wir hatten nämlich gar kein Faksimile im Blatt.

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Jetzt sind viele Blätter von Ermittlungen betroffen und die Aufregung ist etwas größer. Wenn sie dazu führt, dass nun auch die CDU (und wer weiß, vielleicht bald sogar die SPD?) für eine überfällige Reform eintritt, und der Quellenschutz besser verankert wird - umso besser. Auch für die Kollegen, die ihn bisher überhaupt nicht vermisst haben.