Hans-Martin Tillack Kein Schock für Siemens

Heute berichten wir im stern über Korruptionsvorwürfe gegen den Siemens-Konzern. Der reagiert cool. Ein ehemaliger Vertriebsleiter des Münchner Unternehmens schilderte uns im Detail, wie ihn Siemens-Manager bei geheimen Treffen im Wiener "Hilton" mit Schwarzgeld ausgerüstet hätten. Die Summen – in einzelnen Fällen bis zu eine Million Dollar – hätten der Bestechung russischer Beamter gedient. Die wiederum hätten Siemens helfen sollen, Aufträge zu erlangen. Und: Ex-Chef Heinrich von Pierer, der CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel berät, sei über die Praktiken informiert gewesen.

Das Erstaunliche an unserer Enthüllung ist, dass keiner erstaunt zu sein scheint. Siemens dementiert nicht einmal, sondern läßt – laut Deutsche Presse-Agentur – prüfen, was an den Vorwürfen dran ist. Uns hatte Siemens gesagt, dass diese interne Prüfung schon im Jahr 2003 begonnen habe, nachdem von Pierer erstmals von den Vorwürfen erfahren habe. Das hieße, dass Siemens bereits seit etwa zwei Jahren intern prüft. Klingt das irgendwie komisch? Ob die Pleite der Siemens-Handysparte daran liegt, dass der Konzern mit der gleichen Entspanntheit an der Entwicklung von schicken neuen Mobilphonen gearbeitet hatte?

Andererseits: Vor gut einem Jahr, im Juli 2004, hatte ich im stern schon mal über Siemens geschrieben. Damals machten wir bekannt, dass die Wuppertaler Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet hatte. Es ging – und geht – um den Verdacht, dass Manager von Siemens und einer zweiten Firma einen Mitarbeiter der EU-Balkanagentur mit Geld und einem Jaguar bestochen hatten, um an einen fetten Kraftwerksauftrag in Serbien zu kommen.

Damals reagierten die Siemens-Leute noch cooler – und brauchten über vier Monate, bis sie eine interne Untersuchung starteten. Wahrscheinlich waren sie zu sehr mit dem Versuch beschäftigt, schicke, neue Handys zu entwickeln.

P.S. Für den Titel dieses Blogs bedanke ich mich bei dem zu Unrecht wenig bekannten SPD-Europaabgeordneten Helmut Kuhne. "Für mich sind Sie ein Schmierfink!", schleuderte mir dieser in den Stürmen der Soester Kommunalpolitik gehärtete Sozialdemokrat zu, nachdem ich Anfang 2000 über die dubiosen Umstände geschrieben hatte, unter denen das Europaparlament der Düsseldorfer WestLB einen Multimillionenkreditauftrag verschafft hatte. Als unerschrockener Gegner der Pressefreiheit profilierte sich Helmut Kuhne erneut im April 2004. Da hatte die belgische Polizei gerade auf Anregung des EU-Betrugsbekämpfungsamtes Olaf das Brüsseler stern-Büro ausge-räumt, um meine Informanten in der EU-Kommission ausfindig zu machen. Helmut Kuhne schimpfte prompt über diesen "absoluten Skandal". Natürlich meinte er nicht Olaf, sondern die – wenigen - Abgeordneten, die im Europaparlament kritische Fragen an Olaf richteten und damit nach Kuhnes Ansicht die gebotene rasche Bestrafung des Autors dieses Blogs zu hintertreiben versuchten.