Unions-Gipfel Arbeitsmarktzwist übertönt Kandidaten-Jubel

Eigentlich hätte Horst Köhler unter großem Jubel den Präsidien von CDU und CSU auf deren Gipfeltreffen vorgestellt werden sollen. Doch der Aufruhr um einen Entwurf zum Thema Arbeitsmarktreformen übertönte alles andere.

Da war wohl mehr der Wunsch der Vater des Gedankens, als CSU-Landesgruppenchef Michael Glos vor dem Unionsgipfel am Sonntag sagte, man werde die Freude über das Treffen mit dem gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten Horst Köhler nicht dadurch trüben, dass man sich vorher streite. Geplant war in der Tat eine Demonstration von Harmonie, doch der Streit war längst programmiert. Für Zündstoff sorgten als soziale Grausamkeiten empfundene Vorschläge der Generalsekretäre Laurenz Meyer (CDU) und Markus Söder (CSU) für drastische Einschnitte im Tarif- und Arbeitsrecht.

Der neuerliche Streit in der Union ließ den ersten öffentlichen Auftritt des gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten von Union und FDP als Ereignis zweiten Ranges erscheinen. Köhler kam eine Stunde vor Gipfelbeginn zu Fuß aus einem nahe gelegenen Hotel und ging wortlos an Kameras und Mikrofonen vorbei in die CDU-Zentrale zum Vieraugengespräch mit Parteichefin Angela Merkel. Man habe ein Gläschen Sekt getrunken, hieß es später über den Verlauf der einstündigen Unterredung. In der anschließenden Sitzung der beiden Parteipräsidien wurde der 61-Jährige mit Applaus begrüßt, für die zum Auftakt eingeladenen Fotografen gab es das obligatorische Händeschütteln Köhlers mit Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber.

"Tagesordnungspunkt Köhler" abgehakt

Dass, nachdem der "Tagesordnungspunkt Köhler" abgehakt war, harte Worte fielen, darf vermutet werden. Vor Beginn der Beratungen jedenfalls fielen sie öffentlich. Streichung des Kündigungsschutzes für neu eingestellte Arbeitslose über 50 Jahre, Kürzung des Arbeitslosengeldes im ersten Monat um ein Viertel, unbezahlte Überstunden zur Sicherung von Arbeitsplätzen, die Abschaffung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen - das alles ging auch solchen CDU-Politikern zu weit, die sonst eher wirtschaftsfreundlich eingestellt sind.

Verwunderung und Kritik

CDU-Vize Christoph Böhr formulierte noch vorsichtig: Die Vorschläge schienen ihm über das Ziel hinauszuschießen. Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff meinte, man solle sich auf die bisherigen Beschlüsse des CDU-Präsidiums beschränken - das Papier der Generalsekretäre geht weit darüber hinaus. Der Chef des Arbeitnehmerflügels, Hermann-Josef Arentz, kündigte "massiven Widerstand" an, und der saarländische Ministerpräsident Peter Müller sagte, er werde der Vorlage nicht zustimmen und wundere sich, dass sie überhaupt in dieser Form existiere.

Suche nach Motiven

Auf der Suche nach den Motiven für derart drastische Einschnitte kamen sonst eher unterschiedliche Charaktere wie Arentz und Müller zu übereinstimmenden Ergebnissen: In Bayern ist die Landtagswahl vorüber. Müller sagte zu Journalisten: "Ich frage mich, ob mit dem Ergebnis der bayerischen Landtagswahl auch die Funktion der CSU als Anwalt der Arbeitnehmer obsolet geworden ist." Arentz meinte: "Es kann nicht sein, dass diejenigen, die sich jetzt ein paar Jahre keinem Wählervotum mehr stellen müssen, soziale Grausamkeiten in das Papier schreiben, die kein normaler Mensch vertreten kann."

Die CSU allerdings sah das ganz anders. Bayerns Bundesratsminister Erwin Huber betonte: "Wir stehen hinter diesem Papier." Wenn man den Kündigungsschutz bei der Neueinstellung eines Arbeitslosen für vier Jahre streiche, nehme man niemandem den Job weg, sondern beseitige eine Beschäftigungshürde.

AP · DPA
Detlef Rudel/AP