Kurz vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat Außenminister Joschka Fischer (Grüne) seine Partei dazu aufgerufen, ungeachtet der Visa-Affäre entschlossen nach vorne zu blicken. "Es wird eine harte Zeit für uns werden in den nächsten Wochen", warnte Fischer am Donnerstagabend zum Abschluss des Landtagswahlkampfes seiner Partei in Schleswig-Holstein vor mehreren hundert Anhängern in Kiel. Doch niemand solle vergessen, dass es sich bei dem Visa-Missbrauch um Vergangenes handle. "Die Dinge sind abgestellt worden."
Im Zweifel für die Reisefreiheit
Die Visa-Affäre hatte sich am so genannten Volmer-Erlass entzündet. Mit der Regelung waren die deutschen Botschaften im März 2000 angewiesen worden, bei strittigen Visafragen "im Zweifel für die Reisefreiheit" zu entscheiden. Diese Erleichterung für Reisende wurde aber von kriminellen Schlepperbanden ausgenutzt. Deswegen wurde der Erlass im vergangenen Jahr zurückgenommen. Ein Untersuchungsausschuss soll nun klären, ab wann der Außenminister über die Missstände bei der Visa-Erteilung, vor allem an Botschaften in Osteuropa, Bescheid gewusst habe. Der ehemalige Staatsminister Volmer (Grüne) zog bereits in der vergangenen Woche die Konsequenzen aus der Affäre und legte seine politischen Ämter nieder.
Fischer will nun öffentlich zur Klärung der Affäre um Visa-Missbrauch beitragen und sich zugleich gegen persönliche Angriffe wehren. "Ich werde die Öffentlichkeit weder scheuen noch mich zurückhalten", so der Außenminister am Freitag in Berlin. Er habe als Zeuge auch den "nötigen Respekt" vor dem Untersuchungsausschuss. Er werde sich nicht zurückhalten, was seine eigene Verantwortungsübernahme und Fehler betreffe. Zugleich werde er aber auch "dort, wo es völlig überzogene und unhaltbare Angriffe gibt", dagegen halten.
"Wenn ich Mist gebaut habe, dann stehe ich dafür gerade"
Bislang hatte Fischer sich eher ausweichend zu seiner Verantwortung für die Visa-Affäre geäußert. Auf der Wahlveranstaltung in Kiel wehrte Fischer sich jedoch scharf gegen persönliche Vorwürfe der Opposition und versprach kämpferisch Aufklärung. "Wenn ich Mist gebaut habe, dann stehe ich dafür gerade." Die Opposition versuche, ihn kaputt zu machen.
Die Verantwortung für den Visa-Missbrauch will Fischer aber offenbar nicht sich und seinem Ministerium anlasten. Er sehe entscheidende Versäumnisse nicht in seiner Amtszeit oder durch den so genannten Volmer-Erlass, sondern bei der Vorgängerregierung. Die Missstände beruhten auch auf den seinerzeit von Union/FDP eingeführten Reiseschutzpässen, sagte Regierungssprecher Bela Anda am Freitag. Rot-Grün habe dieses System dann im März 2003 abgeschafft.
Angriffe der CDU/CSU "hysterisch"
SPD und Grüne stärkten dem Außenminister unterdessen den Rücken und setzten auf die Marke Fischer und sein internationales Ansehen. Fischers Parteifreund Fritz Kuhn sagte der "Rhein-Neckar-Zeitung", wegen "des Geschreis" der Union werde der in der Welt als hochkompetent angesehene Außenminister nicht "in die Wüste" geschickt. "Deutschland ist nicht so verrückt", wurde der neue außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion zitiert. Die Angriffe der CDU/CSU-Opposition bezeichnete er als hysterisch.