Deutschland hat die Kolonialverbrechen vor allem zwischen 1904 und 1908 an Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika als Völkermord anerkannt. "Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte zu erzielen", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Kritischer sieht der Hamburger Geschichtsprofessor und Kolonialismus-Experte Jürgen Zimmerer die Vereinbarung.
Wie bewerten Sie das zwischen der Bundesregierung und dem heutigen Namibia getroffene Abkommen?
Das ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt. Endlich werden die Ereignisse als das benannt, was sie sind: der erste Völkermord der deutschen Geschichte.
Problematisch ist der Weg zu diesem Abkommen und auch die inhaltliche Ausgestaltung. Dass Herero und Nama das Abkommen nun zurückweisen, weil sie sich nicht eingebunden fühlen, ist fatal. Wie soll Aussöhnung gelingen, wenn die Nachkommen er Opfer sich erneut diskriminiert fühlen? Es ist allerhöchste Zeit, das nun zur Chefsache zu machen. Bundespräsident Steinmeier muss als erstes die Herero und Nama um Verzeihung dafür bitten, wie es zu diesem Abkommen gekommen ist. Sie müssen mitwirken, sonst verkehrt das Ganze ins Gegenteil. Man stelle ich auch vor, der Bundespräsident halte seine Entschuldigungsrede und die Herero und Nama als Nachkommen der Opfer demonstrieren gleichzeitig gegen ihn, vor dem Kameras der Welt. Das wäre eine PR-Supergau und ein unglaublicher Reputationsverlust.
Reichen die Anerkennung als Völkermord, eine Bitte um Vergebung und 1,1 Milliarden Euro, die die Nachkommen in den kommenden 30 Jahren erhalten sollen, Ihrer Meinung nach aus?
Das ist nicht das Ende des Prozesses, kein Schlussstrich unter der kolonialen Vergangenheit, sondern der Beginn einer Aufarbeitung. Es muss herausgearbeitet werden, auf welch vielfältige Art und Weise Deutschland vom Kolonialismus profitierte, ja wie die moderne Welt nicht ohne die koloniale Globalisierung geworden wäre. Dazu ist Bildungsarbeit, aber auch wissenschaftliche Forschung gefragt.
Was sind Ihre größten Kritikpunkte an den Verhandlungen beider Regierungen und der nun getroffenen Vereinbarung?
Das Versagen der Verhandlungsleitung, alle Herero und Nama einzubeziehen, aber etwa auch Herero und Nama in der Diaspora zu berücksichtigen. In Namibia macht das hässliche Wort die Runde, dass es sich wieder um einen kolonialherrlichen Gestus handelt. Berlin entscheidet – mit der namibischen Regierung – und Herero und Nama dürfen das abnicken.