Wahlforschung Das Problem mit den Spontis

Die Wahl in Schleswig-Holstein hat gezeigt: Das spontane Verhalten der Wähler bereitet nicht nur den Parteien Kopfzerbrechen - auch den Meinungsforschern macht es das Leben schwer.

Punkt 18 Uhr schlägt an diesem Sonntag wieder die Stunde der Wahlforscher. Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale geben ihre Prognosen ersten Aufschluss über Gewinner und Verlierer der nordrhein-westfälischen Landtagswahl. Zuletzt wurden nach der Wahl in Schleswig-Holstein im Februar ungenaue Vorhersagen der Demoskopen bemängelt - in Umfragen lag die SPD vorne, am Ende siegte die CDU. Die Forscher fühlen sich jedoch zu Unrecht kritisiert.

Die meist telefonischen Umfragen kurz vor dem Wahltermin würden oft "missinterpretiert", meint der Leiter der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung. Diese Umfragen vermittelten nur eine "Momentaufnahme" und seien keineswegs als Prognose für den Wahlausgang gedacht, sagt er. Das Stimmungsbild innerhalb der Wählerschaft könne sich innerhalb weniger Tage ändern.

Viele entscheiden sich kurzfristig

Zudem machen unentschlossene Wähler den Meinungsforschern verstärkt das Leben schwer. "Immer mehr entscheiden sich erst kurz vor der Wahl", sagt Jung. In Nordrhein-Westfalen betreffe dies bis zu 40 Prozent der Wählerschaft. Die Umfragen würden dadurch ungenauer. Auch eine niedrige Wahlbeteiligung könne insbesondere bei Landtagswahlen das Bild verzerren. "Insgesamt ist das Geschäft schwieriger geworden", resümiert Jung.

Das sagt auch der Geschäftsführer von Infratest Dimap, Richard Hilmer. "Die Herausforderungen sind größer geworden", sagt er. In Folge gestiegener Wechselbereitschaft der Wähler verzeichneten Parteien bei Wahlen erdrutschartige Gewinne oder Verluste von zehn Prozent oder mehr. "Das gab es früher nicht." Die Wahlforschung habe sich darauf eingestellt, indem sie durch beispielsweise sehr zeitnahe Umfragen noch näher an die Entscheidungsprozesse des Wählers heranzurücken versuche.

Vorhersage der Wahlbeteiligung

Die richtige Prognose hängt für die Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie in Allensbach, Renate Köcher, entscheidend von der Einschätzung der Wahlbeteiligung ab. "Bei Landtagswahlen ist die Kernfrage, ob man die Motivation zur Wahl in den politischen Lagern richtig erfassen kann", sagt sie. Diese müsse für alle Parteien sehr detailliert gewichtet und abgebildet werden.

Etwas anders verhält es sich bei der 18-Uhr-Prognose: Dabei werden die Wähler direkt nach dem Urnengang am Wahltag befragt. Dennoch gilt auch hier: "Prognosen können nicht so genau sein, wie sie in Schleswig-Holstein notwendig gewesen wären", sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. So bleiben etwa die Briefwähler bei den Berechnungen außen vor. Ihr Abstimmungsverhalten könne nur auf Grund der Erfahrungen bei vorherigen Wahlen geschätzt werden.

Auch die Wahl am Sonntag in Nordrhein-Westfalen könnte noch einmal spannend werden. Zuletzt lag die CDU in Umfragen deutlich vor der SPD. Doch erste verlässliche Hinweise auf den Wahlausgang liefert erst die Prognose um 18 Uhr.

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Jan Brinkhus/DPA