Angesichts der Lage in der Ukraine und den neuesten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump und seiner Regierung lebt die Debatte um eine Neuauflage der Wehrpflicht in Deutschland wieder auf. Auch die Bundeswehr hat im Blick, ob die künftige Bundesregierung die Entscheidung für einen neuen Wehrdienst trifft und welche Voraussetzungen geschaffen werden sollen. Welche Konzepte gibt es, und wo liegen die Probleme?
Was sagt die Bundeswehr zu einer Wehrpflicht?
In diesem Jahr könne das Heer 2500 zusätzliche Soldaten ausbilden, im nächsten Jahr nochmals mehr, sagt Harald Gante, Kommandeur Feldheer der Bundeswehr. Dann – so der General – stößt die vorhandene Infrastruktur an ihre Grenzen, und die lange Zeit, bis Neu- oder Umbauten fertiggestellt sind, wird der limitierende Faktor.
Ist die Bundeswehr für eine mögliche Wehrpflicht bereit?
"Das Problem sind nicht die Ausbilder, die wir heute haben, sondern das Problem ist die Infrastruktur. Wenn ich keine Kasernen habe, keine Betten, keine Kompaniegebäude, in denen ich die Soldatinnen und Soldaten unterbringen kann, dann muss ich diese auch gar nicht erst einstellen", sagt Gante.
Reichen der Bundeswehr die Freiwilligen?
Es werde nicht ausreichen, sich beim Wehrdienst ausschließlich auf Freiwilligkeit verlassen, ist er überzeugt.
Was ist die doppelte Freiwilligkeit?
Gante bezieht das aber auch auf die Reserve, also frühere Soldaten, die inzwischen einem Zivilberuf nachgehen und für ein Militärtraining kommen sollen. "Wenn wir die sogenannte doppelte Freiwilligkeit dort als Maßstab anlegen – das heißt, der Arbeitgeber und die Person müssen mit einer Übung einverstanden sein –, wird das nicht funktionieren", sagt er. Und: "All die zusätzlichen Aufgaben, die wir heute im Bereich Heimatschutz sowie der Landes- und Bündnisverteidigung bewältigen müssen, werden ohne deutlich mehr Personal nicht funktionieren – und das kann man nur mit Wehrpflichtigen machen."
Bundeswehr, Wiedervereinigung, Asylrecht: Die wichtigsten Änderungen am Grundgesetz

1956 trat die sogenannte Wehrverfassung in Kraft, mit der verschiedene Artikel des Grundgesetzes geändert oder neu eingefügt wurden. So regelt etwa Artikel 87a, dass der Bund Streitkräfte zur Verteidigung aufstellt. Und so schritt Bundeskanzler Konrad Adenauer (l.) gemeinsam mit Generalmajor Hellmuth Laegeler (r.) am 20. Januar 1956 in Andernach (Rheinland-Pfalz) an den ersten Freiwilligen der neu gegründeten Bundeswehr vorbei.
Wann und warum wurde die Wehrpflicht ausgesetzt?
Die Wehrpflicht war 2011 in Deutschland unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Das kam einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich, denn gleichzeitig wurden praktisch alle Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst.
Was wären die Alternativen?
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte einen Gesetzentwurf für ein neues Wehrdienstmodell vorgelegt. Verpflichtend wäre gewesen, dass junge Männer Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst hätten geben müssen. Für einen größeren Pflichtanteil gab es aus der Koalition von SPD, Grünen und FDP keine Unterstützung.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machten sich vor der Bundestagswahl für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr stark, das etwa bei der Bundeswehr, der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk abgeleistet werden kann.
Was spricht gegen die Wehrpflicht?
Die Wiederherstellung der gesamten Infrastruktur mit neuen oder reaktivierten Kasernen, Kreiswehrersatzämtern und dem gesamten Verwaltungsapparat dürfte ziemlich teuer und aufwendig werden. Genauso wie die Bereitstellung der gesamten Ausrüstung für Wehrdienstleistende – von der Unterwäsche bis zu den Waffen.
Der ehemalige FDP-Vorsitzende Christian Lindner lehnte kurz vor der Wahl eine Wehrpflicht kategorisch ab und warnte vor einem "gewaltigen Freiheitseingriff bei jungen Menschen".