Bundestagsvize Petra Pau "Wolfgang Schäuble und ich waren oft konträrer Meinung. Aber wir teilten eine Sorge"

  • von Petra Pau
Wolfgang Schäuble (CDU) und Petra Pau (Die Linke)
Wolfgang Schäuble (CDU) und Petra Pau (Die Linke)
© Kay Nietfeld/ / Picture Alliance
Streitbar, aber engagiert bis zuletzt: Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau würdigt den verstorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble als "Parlamentarier mit Leib und Seele".

Persönlich habe ich Wolfgang Schäuble erst 2017 kennengelernt, durch unsere gemeinsame Arbeit im Präsidium des Deutschen Bundestages. Aber selbstverständlich war er mir auch vordem eine bekannte politische Größe, allemal seit der deutschen Einheit. Viele bezeichnen ihn ja als ihren "Architekten" und meinen das positiv. Aber da gehen die Meinungen auch auseinander. 

Der Anwalt Peter Michael Distel (CDU) war damals Innenminister und ein Verhandler für die finale DDR. Schäuble saß am längeren Hebel und drückte durch, was ihm vorschwebte, erinnert er in einem seiner Bücher. Und das mit Langzeitfolgen. So bekam die vereinigte Bundesrepublik keine neue Verfassung, obwohl das Grundgesetz historisch nur als provisorisch galt. Und die Tatsache, dass Ostdeutsche gegenüber Westdeutschen vielfach benachteiligt wurden und sind, bei Löhnen und Gehältern, Renten und Pensionen, trägt seine Handschrift. 

Petra Pau

…von der Linkspartei gehört dem Bundestag seit 1998 an und ist seit 2006 Vizepräsidentin des Parlaments.

Wolfgang Schäuble war ein Parlamentarier mit Leib und Seele

Auch zu seinen Zeiten als Innen- oder Finanzminister waren wir zumeist konträrer Meinung. Das ist nahe liegend, schließlich war er Mitglied der CDU und ich bei der Linken. Zugleich war Wolfgang Schäuble Parlamentarier mit Leib und Seele. Und dass der Deutsche Bundestag 1999 von Bonn nach Berlin umzog, ist maßgeblich seinem Plädoyer zu verdanken. 

Als Mitglied des Bundestagspräsidiums hatten wir gute Gespräche. Er begegnete mir dabei stets mit Respekt. Und wir teilten die Sorge über zunehmenden Politikerverdruss in der Gesellschaft. Das ist gefährlich für die Demokratie. Im Januar 2021 wurde auch deshalb ein Bürgerrat berufen. Dazu erklärte Wolfgang Schäuble: "Diese besondere Form der Beteiligung kann das Vertrauen in die Politik stärken und der repräsentativen Demokratie neue Impulse geben." Die Demokratie stehe weltweit zunehmend unter Druck, "doch wenn sie beweglich und offen ist für Neues – dann bleibt sie auch stabil". Das unterstreiche ich auch aktuell.

2010 erkrankte ich an der Stimme und war längere Zeit sprachlos. Umso größer war mein Respekt vor der Disziplin Wolfgang Schäubles und seinem Training, um körperlich und damit auch geistig fit zu sein. Er hat bis zuletzt engagiert gekämpft.

fs