Das Schwarze-Peter-Spiel hat schon begonnen. Vor dem möglichen Scheitern des Zuwanderungsgesetzes suchten die Politiker am Montag bereits nach den Schuldigen. Für die Union sind es SPD und vor allem die Grünen. Die Grünen wiederum machen die Union verantwortlich: CDU und CSU hätten zuletzt in der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses nur genommen und nichts gegeben und immer wieder draufgesattelt.
Belastung für Koalition
Der Ausstiegskurs der Grünen könnte indes die Koalition belasten. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) reagierte ziemlich vergrätzt auf das Urteil von Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. "Das Spiel ist aus", hatte er als Meinung der Parteispitze verkündet. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, bekräftigte hingegen: "Der gegenwärtige Stand der Verhandlungen rechtfertigt keinen Ausstieg."
Für Zündstoff in dem seit September laufenden Vermittlungsverfahren hat das Thema Sicherheit gesorgt. Nach den jüngsten Verhandlungsrunden konnte der Eindruck entstehen, als ginge es gar nicht mehr um die Themen Arbeitsmigration, humanitäres Flüchtlingsrecht und Integration, sondern um "Schily III", einen neuen Sicherheitspakt zur Abwehr terroristischer Gefahr. Nach dem 11. September 2001 hatte Schily bereits zwei Sicherheitspakete geschnürt.
Nach dem 11. März dieses Jahres, an dem in Madrid Sprengsätze islamistischer Terroristen hochgingen, setzte die Union das Sicherheitsthema mit Nachdruck auf die Tagesordnung der Vermittlung. Auch die Koalition - allen voran Schily - wollte mögliche Sicherheitslücken schließen. Etliche Koalitionspolitiker äußerten jedoch den Verdacht, die Union wolle die Gunst der Stunde nutzen und Gesetzesverschärfungen in einem Vermittlungsverfahren durchsetzen, die sonst im Bundestag keine Chance hätten.
"So geht das nicht weiter"
Dagegen sträubten sich vor allem die Grünen. Aber auch der FDP-Innenexperte Max Stadler zweifelte an der Zulässigkeit solch eines Verfahrens. Für die allermeisten Grünen jedenfalls ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Jahrelange Verhandlungen und der weite Weg vom Bericht der Süssmuth-Kommission bis zu immer neuen Zugeständnissen seien genug. "Die Partei war geduldig. Aber so geht das nicht weiter", heißt es an der Parteispitze.
Schon vor der bislang letzten Verhandlungsrunde war das Grummeln an der Parteibasis unüberhörbar geworden. Landespolitiker empfahlen einen Abbruch der Quälerei. Nach dem ergebnislosen Verhandlungsmarathon vom Wochenende befand als einer von vielen der Berliner Spitzengrüne Wolfgang Wieland: "Ein Abbruch der Verhandlungen ist tatsächlich nicht mehr zu vermeiden". Am kommenden Samstag tagt der kleine Parteitag (Länderrat) in Berlin. Die Landesverbände unterstützen mit großer Mehrheit einen Abbruch der Verhandlungen. Das lässt der Parteispitze kaum Spielraum.

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In der SPD keimt noch Hoffnung
Für die Führungsspitze geht es jetzt vor allem darum, wie man einen Ausstieg im Konsens mit dem Koalitionspartner SPD hinbekommt. Zwar haben auch einige SPD-Politiker nach Grünen-Einschätzung die Lust verloren. Von Schily glauben etliche Grüne jedoch: "Der Otto will noch weiter verhandeln. Der will sein Gesetz, egal was drinsteht." In der SPD wollen noch viele die Hoffnung nicht aufgeben. Das könnten Rettungsversuche in letzter Minute oder auch vergebliche Bemühungen sein zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Vielleicht aber ist es auch ein bis an die Grenzen ausgereiztes Pokerspiel, wie der FDP-Innenpolitiker Stadler vermutet.