Zwischenruf Licht aus dem Osten

Erstmals in Deutschland hat das Land Brandenburg eine Art von flexibler Gewinnbeteiligung für Beamte eingeführt - gekoppelt an die Steuereinnahmen. Das könnte Modell sein für die Modernisierung des gesamten Staatsapparats stern Nr. 10/2007

Ex oriente lux - Erleuchtung aus dem Osten? Neues Denken, geboren in den prekären Verhältnissen Ostdeutschlands, gewagt von Menschen, die noch nicht erstarrt sind in der bleiernen Denkfaulheit und dem stählernen Interessen-Lobbyismus des Westens? Viel zu selten. Manchmal aber doch. Und dann lohnt es sich hinzuschauen, weil das ganze Land daraus lernen kann. So wie jetzt in Brandenburg, wo - unbemerkt von Medien und Publikum - eine Art Gewinnbeteiligung für Beamte erfunden wurde, bislang einmalig in Deutschland. Gewinnbeteiligung im doppelten Sinn: direkte Beteiligung an den "Gewinnen" des Staates und indirekte Beteiligung an den Gewinnen der Wirtschaft. Einstieg in eine erfolgsabhängige, flexible Honorierung also - statt des starren Besoldungssystems -, bemessen nach dem Profit des Staates: den Steuereinnahmen. Und die wiederum entstammen ja wesentlich den Gewinnen der Wirtschaft, die in diesen konjunkturseligen Zeiten sprudeln wie seit Jahren nicht mehr. Rund 27 Milliarden Euro Dividenden schütten die 30 börsennotierten Dax-Konzerne in diesem Jahr an ihre Aktionäre aus, das ist neuer Rekord. Und bei den anstehenden Metall-Tarifverhandlungen soll es nicht nur um fühlbare Lohnaufschläge gehen, sondern nach dem Willen der Arbeitgeber auch um tariflich verankerte, flexible Gewinnbeteiligungen. Das historisch verstaubte Weihnachtsgeld soll zu einem solchen intelligenten System der Erfolgsprämien ausgebaut werden.

In Brandenburg ist das Kunststück gelungen. Dort hat die große Koalition unter dem Sozialdemokraten Matthias Platzeck bewiesen, dass das sogar beim Staat funktioniert. Die 34 000 Beamten des chronisch klammen Landes erhalten von 2007 bis 2009 ein Weihnachtsgeld, das zum Teil von der Höhe der Steuereinnahmen abhängig ist. Kürzungen und Streit um die völlige Abschaffung waren vorausgegangen. Bis Finanzminister Rainer Speer eine Idee hatte. Der SPD-Mann, gebürtiger Ost-Berliner und zu DDR-Zeiten wegen "politischer Unzuverlässigkeit" von der Offiziershochschule Löbau gefeuert, kreierte die "Überschussbeteiligung" für Beamte. 500 Euro Weihnachtsgeld bekommen die Staatsdiener nun in jedem Jahr fest. Und bis zu 540 Euro können noch obendrauf kommen, wenn die Steuereinnahmen Brandenburgs nach der jährlichen Schätzung im November den im jeweiligen Landeshaushalt verankerten Betrag übersteigen.

Das verstaubte Weihnachtsgeld wird zur Erfolgsprämie. Warum sollten die Personalvermittler der Bundesagentur für Arbeit nicht durch Prämien profitieren?

Für meuternde Provinzler, reaktionäre Bischöfe und verkniffene Familienideologen wurde zugleich eine Gegenfigur zu von der Leyen aufgeblasen: Fraktionschef Volker Kauder. Er hat, gesegnet von der Kanzlerin, den Auftrag übernommen, irritierte Traditionstruppen bei der Fahne zu halten - und die Spannweite der Volkspartei CDU zu verbreitern. Ihre Flügel sind verkümmert, also klebt sie sich neue an - und inszeniert den Richtungsstreit in den eigenen Reihen als Erweiterung ihres politischen Angebots. Von der Leyen "links", Kauder "rechts". Angela Merkel in der Mitte.

Nach diesem Modell hat die Union inzwischen auch das Kompetenzfeld der Umweltpolitik erobert. Die Kanzlerin sucht als grüne Retterin des Weltklimas und Heroldin der sanften Energien in Europa zu beeindrucken, gleichzeitig zieht ihr Wirtschaftsminister Michael Glos als konservativer Kämpfer in die Schlacht für die Atomkraft. Und der einst so vorlaute Sigmar Gabriel, der glaubte, wegen seiner innerparteilichen Karrierepläne eine stille Bewährungsphase abdienen zu müssen, sieht seine Felle als sozialdemokratischer Umweltminister davonschwimmen. Die Rolle des Atomblockierers gönnt ihm Merkel. So liebt sie die SPD - defensiv. Und nun nörgelt auch noch Peter Struck über "Klima-Hysterie"... Für die Sozialdemokraten, die mit den überzeugenderen Ministern angetreten waren, ist die Bilanz der Koalition heute tiefrot. Sie haben ausschließlich jene Großreformen besetzt, die sie selbst zerstören: Rente mit 67, Gesundheit, Unternehmensteuern. Ihre Debatten sind nach innen gerichtet und verkürzen die Spannweite der Volkspartei SPD. Sie kann aktuell mit keinem einzigen Zukunftsprojekt mehr wuchern. Die CDU hingegen hat die sonnenbeschienenen Plätze okkupiert, als allumfassende sozialdemokratisch-konservative Mutter. Wirtschaft: Merkel. Außenpolitik: Merkel. Umwelt und Energie: Merkel. Kapitalbeteiligung für Arbeitnehmer: Merkel. Frauen und Familie: von der Leyen. Integration von Ausländern und Muslimen: Schäuble. Sicherheit: Schäuble. Die CDU ist sich selbst genug für eine Große Koalition.

Denn im Kleinen steckt Grosses. Nicht weniger als die Öffnung der Beamtenbesoldung für Konjunktur, Erfolg und Leistung des Staatsapparats. Das Brandenburger Modell ist nur eine Spielart - andere fantasievolle Varianten lassen sich denken. Sie könnten den gesamten Staat modernisieren. Warum etwa sollten die Staatsdiener - Beamte, Angestellte und Arbeiter - nicht persönlich für Einsparungen und Überschüsse ihrer Behörden interessiert werden? Warum sollten sich Behörden - bei Bund, Ländern und Gemeinden - nicht Ziele dafür setzen, nach denen dann abgerechnet wird? Warum sollte die Besoldung der Staatsdiener nicht sehr viel stärker differieren, als das heute der Fall ist - nicht nur zwischen Bund, Ländern und Kommunen, sondern auch zwischen verschiedenen Behörden ein und desselben Landes oder derselben Gemeinde?

Um es konkreter zu fassen: Warum sollten zum Beispiel die Personalberater der Bundesagentur für Arbeit nicht durch Prämien von erfolgreichen Vermittlungen Arbeitsloser, insbesondere problematischer Langzeitarbeitsloser, profitieren? Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Auch in Wirtschaft und Politik nicht. Die Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer steht auf der Agenda der Großen Koalition. Die Umformung des Weihnachtsgeldes zur Gewinnbeteiligung ist eine Option. Große überbetriebliche Fonds zur Kapitalbeteiligung, politisch höchst kompliziert, wären dann weniger zwingend, wenn diese Option in Branchenverträgen zöge - und die Staatsdiener über die Steuern beteiligt würden. Kein Arbeitnehmer wäre dann ausgeschlossen. Das Brandenburger Modell lässt sich ja auch noch nach Steuerarten verfeinern. Wichtig ist das Prinzip. Das hat sich durchgesetzt, beispielgebend. Ex oriente lux!

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Hans-Ulrich Jörges