Rechts-Konservativer Verein Die Werteunion: Wo die Brandmauer gegen rechts schon gefallen ist

Der Vorsitzende der Werteunion Hans-Georg Maaßen
Der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen will aus der Werteunion eine Partei machen. Die Vereinigung unterhält beste Kontakte ins rechte Spektrum.
© Heiko Rebsch / DPA
Mitglieder der Werteunion waren auch bei dem konspirativen Treffen in Potsdam anwesend, bei dem ein "Masterplan zur Remigration" besprochen wurde. Der Verein unterhält seit langem Kontakte in die rechte Szene. Nun will sich die CDU klar von der Gruppierung abgrenzen.

Das konspirative Treffen von mehreren Akteuren aus dem rechten bis rechtsextremen Spektrum sorgte in der vergangenen Woche für Aufsehen. Neben Vertretern der AfD und dem rechtsradikalen Aktivisten Martin Sellner waren auch zwei Mitglieder der "Werteunion" vor Ort. Der rechts-konservative Verein besteht zum größten Teil aus CDU-Mitgliedern, doch er fungiert schon seit Jahren als Brücke ins extremistische Lager. 

Die Werteunion begann als Zusammenschluss der Merkel-Gegner

Ursprünglich wurde die Werteunion 2017 als Sammelbecken für CDU-Mitglieder gegründet, die unzufrieden mit der Migrationspolitik unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel waren. Sie monierten einen "Linksrutsch" der Union. Aus einem losen Netzwerk von Parteimitgliedern entwickelte sich in den folgenden Jahren eine laut eigener Aussage "einflussreiche Vereinigung" mit knapp 4000 Mitgliedern.

Der mittlerweile eingetragene Verein steht für einen klaren Kurs: Die Union müsse wieder konservativ(er) werden. Dabei bedient sich die Werteunion einer Rhetorik, die man vom rechten Rand kennt. Auf der eigenen Website kritisiert man "besonders die Massenmigration, eine irrationale Wirtschafts- und Energiepolitik und die hysterische Klimapolitik". Allesamt Krisen, die zu einer "bedrohlichen Lage" für das Land geführt hätten. Heute gehe es nicht mehr um "kleinere Korrekturen", sondern "um alles". Es gehe darum, ob "wir bereit sind, diese Errungenschaften [der Bundesrepublik Anm. d. Red.], unsere Identität und unsere Werte linken Ideologien zu opfern. 

Was in diesem Zusammenhang genau "unsere Identität" oder "unsere Werte" sein sollen, erklärt die Werteunion nicht. Für den Verein scheint aber klar: Die Bedrohung für das Land kommt von links. Allein auf der Seite "über uns" nennen die Autoren vier Mal die "linken Ideologien" oder den "Linksrutsch". Von rechts grenzt man sich dabei nicht ab.

Keine Scheu vor Extremisten, Querdenkern oder der AfD

Das Personal der Werteunion hat seit ihrer Gründung und darüber hinaus beste Kontakte ins rechte Lager. Ihr ehemaliger Vorsitzende Max Otte etwa trat während der Corona-Pandemie auf Veranstaltungen der Querdenken-Bewegung auf und vertrat Standpunkte, die ihm als rassistisch, antisemitisch und nationalistisch ausgelegt wurden. Otte war zudem Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius Erasmus-Stiftung und kandidierte 2022 für die AfD bei der Bundespräsidentenwahl. Sein damaliger Stellvertreter Klaus Dageförde war in seiner Jugend Mitglied einer rechtsextremen Kameradschaft. 

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke beklagte Otte eine mediale "Hetze gegen die rechte Szene" und erklärte, dass "der Mainstream endlich eine neue NSU-Affäre" habe. Anfang 2022 wurde Otte aus der CDU ausgeschlossen, einige Monate später ließ er auch den Posten des Vorsitzenden der Werteunion ruhen und zog sich aus dem politischen Geschäft zurück. 

Sein Nachfolger wurde der im Vorfeld bereits oft kritisierte ehemalige Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen. Auch Maaßen unterhielt in den vergangenen Jahren regelmäßig Kontakte zu AfD-Funktionären und fiel durch verharmlosende Kommentare zu rechtsextremen Ausschreitungen 2018 in Chemnitz auf. 

Zuletzt wurde bekannt, dass Simone Baum, die Landesvorsitzende der Werteunion Nordrhein-Westfalen, und ihre Stellvertreterin Michaela Schneider an dem Geheimtreffen in Potsdam teilnahmen, bei dem auch AfD-Mitglieder und das Aushängeschild der rechtsextremen "Identitären Bewegung", Martin Sellner, zu Gast waren.

Werteunion stellt sich gegen Religionsfreiheit für Muslime

Neben der "linken Ideologie" hat die Werteunion ein zweites klares Feindbild: den Islam. Ihr Positionspapier zum Thema Zuwanderung klingt praktisch wie eine Zulieferung für den in Potsdam besprochenen "Masterplan zur Remigration". Darin behauptet die Werteunion unter anderem, die seit 2015 aus islamisch geprägten Ländern Eingewanderten hätten "Krankheiten nach Deutschland eingeschleppt, die schon lange als ausgestorben galten". Eine Behauptung, die schlicht nicht stimmt, wie das Recherchenetzwerk "Correctiv" in einem Faktencheck untersuchte.

In ihrem Positionspapier zum Islam vermischt die Werteunion zudem wissentlich oder unwissentlich die Begriffe Muslime und Islamisten und stellt Menschen muslimischen Glaubens als grundsätzliche Gefahr dar. Der Verein fordert unter anderem ein Recht darauf, den Islam zu kritisieren und ein Verbot von Kinderehen und Zwangsheiraten. All das ist aber ohnehin gesetzlich verankert und bedarf keiner Änderung. 

Die Werteunion geht allerdings noch einen Schritt weiter und stellt die Religionsfreiheit für Muslime infrage. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit sei demnach von den Verfassern mit Blick auf die "jüdisch-christlichen Religionen verfasst worden". Mit Blick auf die "millionenfache Zuwanderung von Menschen islamischen Glaubens", erscheine es gerechtfertigt und erforderlich, "dieses Grundrecht im Hinblick auf die Besonderheiten gleichzeitig ein politisches System darstellenden Religion fortzuentwickeln und zu präzisieren", so die Werteunion. 

Position spaltet CDU und CSU

Mit ihren Ansichten, die von konservativ bis nationalistisch und islamophob reichen, spaltet die Werteunion auch die Partei ihrer Mitglieder. Während CDU-Politiker wie Wolfgang Bosbach in der Vergangenheit Verständnis für den Verein zeigten und erklärten, die Ansichten hätten "noch vor zehn, 15 Jahren ganz selbstverständlich zum Meinungsspektrum der Union gehört", erklärte Elmar Brok 2020, die Werteunion sei ein "Krebsgeschwür", das man "mit aller Rücksichtslosigkeit bekämpfen" müsse, damit es "nicht in die Partei hineinkriechen kann". 

CDU-Chef Friedrich Merz positionierte sich und seine Partei bei der CDU-Klausur nun eindeutig: Eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der CDU und der Werteunion soll künftig nicht mehr möglich sein − egal, ob die Werteunion zur eigenen Partei wird oder nicht.

Vor wenigen Wochen hatte der Vorsitzende Maaßen erklärt, aus der Werteunion heraus eine neue Partei gründen zu wollen. Auf der Homepage des Vereins wird schon fleißig für Veranstaltungen zur Parteigestaltung geworben. Maaßen erklärte im Vorhinein, dass er eine Zusammenarbeit mit der AfD, anders als die Union, nicht ausschließe.

Ob nun als Verein wie momentan oder möglicherweise bald als Partei: Die Werteunion hat seit ihrer Gründung die Türen zum rechten Rand geöffnet. Sie ist längst zur Brücke zwischen konservativen, enttäuschten CDU-Mitgliedern und rechtsextremistischen Gruppierungen geworden. Sowohl ihre politische Positionierung als auch die Kontakte zum rechten Rand bestehen bis heute.