Es gibt für aufrechte Demokraten kaum etwas Grausigeres, als von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke gelobt zu werden. Der CDU ist das gestern in Thüringen passiert. Sie hatte einen Antrag zur Senkung der sehr hohen Grunderwerbsteuer eingebracht und ihn gegen die rot-rot-grüne Landesregierung durchgesetzt - allerdings mit den Stimmen der AfD. Und Höcke trat ans Pult und beglückwünschte sie süffisant zu ihrem "Mut". Volltreffer auf die Zwölf!
Das Vorgehen der Christdemokraten, die Zustimmung der AfD zu tolerieren, hat viel Empörung im demokratischen Lager ausgelöst. Der linke Landeschef Bodo Ramelow sprach von einem "Pakt mit dem Teufel". Andere Politiker forderten eine "Brandmauer": Man müsse auf eine politische Idee verzichten, wenn ihr die Falschen zuzustimmen drohen – selbst wenn diese Idee der Gesellschaft helfen würde.
Das klingt nach einer hehren Ethik. Nur: Sie hilft nicht weiter, um den braunen Sumpf langfristig trockenzulegen. Es wäre klüger, sich der Realität zu stellen. Die AfD hat starke Umfragewerte und gibt überall den Heroen, was verunsicherten Wählern offenbar gefällt, denn ihr Wildern in allen politischen Lagern funktioniert, ob in Brandenburg, Sachsen oder in Hessen.
Den Gegenkommentar, warum die CDU jetzt in einer Zwickmühle sitzt, lesen Sie hier:
Die anderen Parteien beklagen das, sind zurecht empört über die Heimtücke der AfD. In der Realität ducken sie sich aber vor ihr weg - bis zur Selbstkasteiung. Sie meinen es ohne Zweifel gut und bezeichnen das als eine Stärke. Tatsächlich nehmen sie damit aber eine Opferhaltung ein. Das kommt bei den Menschen nicht gut an und stärkt die Populisten.
Nicht ständig ängstlich nach rechts schauen
Die demokratischen Parteien sollten daher wieder selbstbewusst angreifen, ohne ständig ängstlich nach rechts zu schauen. Sich auf den Erfolg konzentrieren. Nur so kommt man voran, sagen Psychologen. Sie sprechen vom "Siegereffekt", wie man im "Online-Lexikon für Psychologie und Pädagogik" nachlesen kann: Erfolge wirken sich bei uns positiv auf zukünftige Erfolge aus und machen uns erfolgreicher. Das gilt auch für Politiker: sie werden im Wettstreit konzentrierter, selbstbewusster und meist auch – im sportlich-positiven Sinne - aggressiver.
Die Opferrolle dagegen lähmt. Das kann man gerade sehr eindrucksvoll aus der Amazon-Dokumentation über die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der WM in Katar lernen. Die Zeit der Vorrunde war dominiert von gesellschaftlich angeheizten Selbstzweifeln darüber, ob man in einem Land spielen darf, dass Menschenrechte missachtet und etwa Homosexualität bestraft.
Die Diskussion über das Tragen von "One Love"-Armbinden und das Setzen von Toleranzzeichen (Mundzuhalten auf dem Mannschaftsbild) raubte den Spielern das Sieger-Gen. Sie fühlten sich als Märtyrer der politischen Dissonanzen und schieden in der Gruppenphase kläglich aus.
Wer die AfD bekämpfen will, darf nicht nur kluge akademische Vorträge über deren Schändlichkeit halten; da ist inzwischen alles gesagt. Er kann auch nicht darauf hoffen, dass die Partei trotz ihrer Widerwärtigkeit irgendwann verboten wird. Er muss gewinnen, um sie klein zu machen. Insofern hat die CDU in Thüringen im Kern richtig gehandelt, weil sie ihren eigenen Antrag zur Grunderwerbsteuer durchgesetzt hat.
Die Regierungsparteien des Landes hätten der Demokratie einen größeren Dienst erwiesen, wenn sie die CDU bei diesem Antrag unterstützt hätten, statt ihn ideologisch abzulehnen - zumal die Parteien einer Minderheitsregierung angehören. Bodo Ramelow hätte den "schwärzesten Tag" seines parlamentarischen Lebens selbst verhindern können.
Demokraten sollten sich im Zweifel immer besser unterhaken, als aufeinander einzuprügeln, sobald die AfD sich irgendeinem Antrag nähert oder gar anschließt. Das ist dringend angeraten, denn das Thüringen-Dilemma ist längst Alltag, vor allem in Kommunalparlamenten, wo es alle Partei trifft.
Nur mit Selbstbewusstsein, das Richtige zu tun, und mit einem klarem Kurs gewinnt man Wähler. Dann schrumpft auch die AfD.