Thüringer Landtag Unter AfD-Verdacht: Diese Falle hat sich die CDU selbst gestellt

Kritik und Verständnis für CDU – das sagen die Thüringer zum Pakt mit der AfD
Kritik und Verständnis für CDU – das sagen die Thüringer zum Pakt mit der AfD
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Sehen Sie im Video: CDU stimmt gemeinsam mit AfD – so reagieren die Thüringer. Videoquelle: n-tv.de
In Thüringen hat die CDU gemeinsam mit der AfD eine Steuersenkung durchgesetzt. Die Christdemokraten in Erfurt sitzen in einer Zwickmühle. Aber die haben sie sich selbst gebaut.

Thüringer Häuslekäufer zahlen künftig nicht mehr sechseinhalb sondern nur noch fünf Prozent des Kaufpreises als Grunderwerbsteuer, das hat der Erfurter Landtag am Donnertag beschlossen. Und nun zum Wetter.

So hätte es kommen können. Denn für sich genommen ist das gestern beschlossene Landesgesetz kaum mehr als eine schnöde Verwaltungsvorschrift. Hier wurde keine Flüchtlingsobergrenze beschlossen, keine Verfassungsreform, ja, es ging noch nicht mal um Heizungen.

"Man wird doch wohl noch..."

Doch weil dieser Gesetzentwurf, eingebracht von der CDU, nur Dank der Stimmen der AfD die notwendige Mehrheit erhielt, ist das Wetter ungemütlich geworden. Es weht ein bundesweiter Orkan. Für Bodo Ramelow, den linken Ministerpräsidenten von Thüringen, war es der "schwärzeste Tag" seines parlamentarischen Lebens. Politiker der Ampel-Parteien warnen vor dem endgültigen Kippen der Brandmauer. Die Führung der AfD feiert schon deren Einsturz. Politiker der Unionsparteien versuchen mit Satzbausteinen, die mit "Man wird doch wohl noch…" oder "Was können wir dafür, wenn…" beginnen, den Sturm zu beruhigen.

Den Gegenkommentar, warum die CDU im Kern richtig gehandelt hat, lesen Sie hier:

Es müsse doch möglich sein, konstruktive Oppositionsarbeit zu leisten – ohne sich dafür gleich Vorwürfe anhören zu müssen, klagt etwa Karin Prien, die rechter Umtriebe unverdächtige CDU-Vizechefin. Daraus eine Zusammenarbeit mit der AfD zu stricken, sei "infam". Klingt für sich genommen richtig, wirkt bei näherer Betrachtung aber wenig überzeugend. Aus drei Gründen.

Mehrheit ist nie ein reines Rechenspiel

Erstens ist die Frage der Mehrheit nie ein reines Rechenspiel. Spätestens die skandalöse Wahl des FDP-Politikers Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten von Thüringen hatte diese simple Wahrheit allen politischen Akteuren vor Augen geführt: Eine Mehrheit, die nur mit den Stimmen der AfD erreicht wird, kann niemals eine demokratische Mehrheit sein. Das gilt überall und es gilt doppelt und dreifach in Thüringen, wo diese Partei von einem Björn Höcke angeführt und vom Landesverfassungsschutz als eindeutig rechtsextrem eingestuft wird.

Zweitens trägt die CDU eine Mitverantwortung an den Thüringer Verhältnissen. Dass die Opposition überhaupt in der Lage ist, einen Gesetzesvorschlag gegen die Regierung durchs Parlament zu bringen, liegt einzig daran, dass diese Landesregierung über keine eigene Mehrheit verfügt. Warum? Weil sich die CDU dazu entschieden hat, lieber als "konstruktive Opposition" Ramelows Minderheitsregierung zu tolerieren, als selbst in die Regierung zu gehen – oder eben für Neuwahlen zu stimmen.

Die AfD das kleinere Übel?

Sie kann jetzt nicht ganz so frei opponieren, wie in Parlamenten mit geordneten Machtverhältnissen. Ja, das ist eine Zwickmühle. Aber es ist eine, die sich die CDU selbst aufgebaut hat. In einer Zwickmühle verliert man mit jedem Zug. Links oder rechts? Ramelow oder Höcke? Stellt man die Thüringer CDU vor die Wahl, hält sie die AfD offenbar für das kleinere Übel.

Darum ist Karin Priens Argumentation aus einem dritten Punkt höchst gefährlich. Im kommenden Jahr wird in drei Ost-Ländern gewählt, in Sachsen, Brandenburg und in Thüringen. Es spricht wegen der aktuellen Umfrage-Stärke der AfD viel dafür, dass es dabei zu unklaren Mehrheitsverhältnissen kommen wird. Was dann? Lässt sich dann eine CDU-geführte Minderheitsregierung von der AfD tolerieren? Gilt auch dann wieder: Mehrheit ist Mehrheit? Und: Wir können doch nichts dafür, wenn die unseren Gesetzesentwürfen ihre Zustimmung geben?

Im Thüringer Landtag ist gestern eine Brandmauer eingerissen worden. Mit den Stimmen von AfD und CDU wurde an ihrer Stelle eine Kulisse aus Pappmaschee errichtet. Und nun zum Wetter.

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