Frankreich Katzen-Content und Marktauftritte – mit neuem Image greift Marine Le Pen nach der Macht

Marine Le Pen sucht die Nähe zum Wähler
Marine Le Pen sucht die Nähe zum Wähler
© AFP
Im Vergleich zu 2017 wurden die Positionen von Le Pen zumindest an der Oberfläche weichgespült. Die Kandidatin hat ihr Image komplett geändert. Aus der Demagogin wurde die "nette Rechte von nebenan".

In Frankreich endetet der offizielle Wahlkampf am Freitag. In allen Umfragen liegen zwei Kandidaten vorn: Präsident Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen. So weit ist das wenig überraschend. Doch Marine Le Pen konnte gewaltig aufholen und hat erstmals eine echte Chance, die Macht zu erobern.

In den letzten Umfragen von Freitag liegt der Amtsinhaber nach wie vor vorn. Doch das gilt nur für den ersten Wahlgang. Wenn kein Kandidat in der ersten Runde die absolute Mehrheit der Stimmen erhält, treffen die beiden am besten platzierten Kandidaten in 14 Tagen in einer Stichwahl aufeinander. Dann würden sich aller Voraussicht nach Marine Le Pen und Emmanuel Macron ein Duell liefern. In einer der letzten Umfragen liegt Macron im zweiten Wahlgang mit 52 Prozent knapp vor seiner Rivalin, die auf 48 Prozent kommt. Die Umfrageergebnisse zur Stichwahl sind dabei immer weniger verlässliche als die für den ersten Wahlgang. Die zweiten Runde entscheiden nicht die Stammwähler der Kandidaten, sondern die Wähler der im ersten Wahlgang unterlegenen Kandidaten und ihre Entscheidung ist eher taktischer Natur.

Frankreich-Wahl: Le Pen im Aufwind 

Vier Prozent Vorsprung würden für Macron ausreichen, wenn diese Unsicherheit nicht wäre. Und wenn Marine Le Pen nicht in den letzten Wochen deutlich aufgeholt hätte. Vor einem Monat lag sie noch mit 10 Punkten Rückstand hinter Präsident Macron und kämpfte um den Einzug in die zweite Runde. Die Umfrageergebnisse für Le Pen und Macron in der ersten Runde sind weitaus schlechter als die Daten für die Stichwahl. Daran erkennt man, wie sehr beide von den Wählern der ausgeschiedenen Kandidaten abhängen. In einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage von OpinionWay-Kéa kommt Macron auf 26 Prozent der Stimmen, nach 28 Prozent vor einer Woche. Le Pen klettert um zwei Punkte auf 22 Prozent. In nur einer Woche fiel der Amtsinhaber also um zwei Punkte und die Herausforderin legte im gleichen Maß zu. Wenn dieser Trend anhält, hat Marine Le Pen eine echte Chance in der Stichwahl.

Soziale Kälte des Präsidenten

Macron ist nach seiner durchaus umstrittenen Amtszeit – man denke an die Gelbwesten-Proteste – nicht mehr der jugendliche Hoffnungsträger. Vor allem aber trifft er auf eine neue Marine Le Pen. Le Pen hat ihre Niederlage 2017 analysiert und daraus Konsequenzen gezogen. Für ihre Partei und für das eigene Image. Dabei versucht sie, das Rabauken-Image der Rechtspopulisten abzustreifen. Sie wirkt heute reifer, selbstbewusster und weniger extrem – kurzum präsidialer. Geholfen hat ihr dabei ausgerechnet der rechtsextreme Kandidat Éric Zemmour. Verglichen mit ihm wirken die Positionen von Le Pen vergleichsweise moderat. Zemmour hat seine Putin-Freundlichkeit nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine aus dem Rennen geworfen, davon profitiert Le Pen nun. Inhaltlich hat Le Pen die Punkte zurückgestellt, die die Wähler verschrecken. Ein plötzlicher Austritt aus der EU etwa. Dafür rückte sie die finanzielle Situation der Wähler in den Vordergrund. Gegen die soziale Krise hat Macron in seiner Präsidentschaft kein Mittel gefunden. Das teils brutale Vorgehen der Polizei gegen die sozialen Proteste hat sein Image als Kandidat der Eliten weiter gefestigt. Zwei Stimmen können das Problem illustrieren. Melina, eine Pflegeassistentin, sagte der BBC auf einer Wahlveranstaltung von Präsident Macron in Spézet, die wirtschaftliche Situation habe ihre Einstellung zur Politik verändert. "Hier gibt es viele Franzosen, die arbeiten, aber gezwungen sind, in ihren Autos zu schlafen, weil sie sich keine Wohnung leisten können und niemand ihnen hilft. Es ist eine Schande. Früher habe ich links gestimmt, aber diesmal könnte ich sehr wohl rechts wählen."

Sophie, Bedienung in einer Bäckerei, sagte dem Sender, sie habe vor fünf Jahren für Macron gestimmt, weil sie "Angst" vor Marine Le Pen hatte. Heute habe sie diese Angst nicht mehr. "Sie hat sich weiterentwickelt. Sie lernt aus ihren Fehlern. Sie ist menschlicher und wir verstehen sie, wenn sie spricht."

Bei Le Pen zu Hause 
Bei Le Pen zu Hause 
© AFP

Marine Le Pen: "Eine von uns"

Le Pen sich selbst neu erfunden. Aus der manchmal unbeholfenen Demagogin ist "Eine von uns" geworden. Marine Le Pen spricht über ihr Privatleben, kann inzwischen locker mit ganz normalen Menschen ins Gespräch kommen und kuschelt mit ihrer Katze. Aus der hektischen Rednerin, die sich am Pult und Skript festhält, ist eine souveräne Wahlkämpferin geworden, die auf Straßen und Märkten den Kontakt zu den Wählern sucht. Und dabei im Vergleich zum unnahbaren Macron sehr menschlich wirkt. Le Pen sagt, ihre Strategie sei es gewesen, sich und ihre Partei zu "entdämonisieren". Und sie trifft Emmanuel Macron an seinem empfindlichsten Punkt. Macron entstammt durch und durch dem politischen Establishment Frankreichs. Er verkörpert in sich die Herrschaft der Pariser Eliten. Le Pen posiert dagegen erfolgreich als Frau aus dem Volke. "Marine Le Pen scheint sympathischer zu sein als Emmanuel Macron", gestand Pierre Person, ein Abgeordneter der Partei des Präsidenten, besorgt.

Le Pen habe gelernt, die Franzosen aus der Arbeiterklasse direkt anzusprechen, indem sie ein einfaches Leben zeige, das sich nicht so sehr vom Leben ihrer eigenen Anhänger unterscheide, so Jean-Yves Camus, Direktor des Observatoriums für radikale Politik und Experte für Frau Le Pens Partei, Rassemblement National, dem Magazin "Politico". Und das mit Erfolg, "Die Frage ist, ob sie unecht oder echt klingt", sagte Camus. "Und für mich klingt sie echt."

In der Stichwahl wird es allerdings stark auf die Wahlbeteiligung ankommen, die bei 73 Prozent liegen könnte, fünf Punkte niedriger als 2017. 25 und 30 Prozent der Franzosen haben sich überhaupt noch nicht entschieden, und Le Pen und ihre Partei haben bei den vergangenen Wahlen regelmäßig schlechter abgeschnitten als zuvor in den Umfragen.