Frankreichs linkes Parteienbündnis "Nouvelle union populaire écologique et sociale" (Nupes) war im September über die Vorwürfe von mutmaßlicher häuslicher Gewalt eines Abgeordneten in Aufruhr geraten, der stern berichtete. Adrien Quatennens, ein Abgeordneter von Jean-Luc Mélenchons gegründeter linkspopulistischen Partei "La France Insoumise" (LFI), gab damals zu, seine Frau geohrfeigt zu haben, nachdem ihre Vorwürfe öffentlich geworden waren. Quatennens gilt als Vertrauter von Fraktionsführer Mélenchon und wurde zwischenzeitlich auch als sein möglicher Nachfolger gehandelt.
Er hatte den Vorwurf eingeräumt und sich öffentlich entschuldigt, mitsamt der Aussage, es sei ein einmaliger Ausrutscher im Rahmen eines Streits gewesen. Quatennens kündigte damals selbst an, von seinem Amt als Koordinator der Partei zurückzutreten, und hatte sich seither auch nicht mehr in der französischen Nationalversammlung blicken lassen.
Céline Quatennens: Mehrere Jahre mit "physischer und psychologischer Gewalt"
Zuletzt sollen Parteikolleg:innen jedoch bereits seine mögliche, baldige Rückkehr in die Nationalversammlung diskutiert haben. Laut einigen Abgeordneten soll auch Quatennens selbst diesen Wunsch signalisiert haben. Vergangene Woche wurden jedoch neue Vorwürfe seiner Ehefrau gegen ihn bekannt – das ändert für viele die Richtung der Diskussionen.
Céline Quatennens beschuldigte gegenüber "AFP" ihren Mann, sie bereits seit mehreren Jahren seinen Wutanfällen und "physischer und psychologischer Gewalt" ausgesetzt zu haben. Sie habe bereits drei Mal die Scheidung einreichen wollen, aber immer wieder "unter Druck" einen Rückzieher gemacht. Mittlerweile läuft das Scheidungsverfahren der beiden. Indem er behaupte, es habe sich um einen einzelnen Ausraster gehandelt, spiele ihr Mann sein Verhalten herunter, ließ sie weiter mitteilen. Sie habe deshalb nicht schweigen und mit ihren neuen Aussagen die Dinge wieder ins Gleichgewicht bringen wollen. Adrien Quatennens ließ die neuen Vorwürfe über seine Anwältin abstreiten.
Vorerst keine Rückkehr von Adrien Quatennens in die Nationalversammlung
Kurz bevor die neuen Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden, hatten zwei LFI-Abgeordnete gegenüber dem französischen öffentlich-rechtlichen Radiosender "franceinfo" geäußert, Quatennens sei sicher bis Ende November wieder zurück im Parlament. Auch Mélenchon hatte Medien gegenüber gesagt, Quatennens werde zurückkommen, und man werde ihm dabei helfen. Nachdem die neuen Vorwürfe bekannt wurden, teilte seine Partei mit, Adrien Quatennens werde seine parlamentarische Arbeit so lange ruhen lassen, bis ein Gerichtsurteil vorliege. Dann wolle man neu entscheiden.
Olivier Faure von der "Parti socialiste" die dem linken Nupes-Bündnis angehört, äußerte sich auf Twitter zu den neuen Vorwürfen Céline Quatennens. Es sei "unsere Pflicht, ihre Aussage anzunehmen und ihr zu glauben", schrieb er – ebenso wie den Schluss daraus zu ziehen, dass eine Rückkehr Adrien Quatennens damit unmöglich sei. Andere Parlamentarier:innen, wie die Grüne Sandrine Rousseau, schlossen sich dieser Einschätzung an.
Unruhe in Frankreichs Linker wegen Umgang mit Vorwürfen
Die "La France Insoumise" war bereits über die ersten Vorwürfe im September in eine Krise geraten. Vor allem Jean-Luc Mélenchon war damals für seinen leichtfertigen Umgang mit dem Vorfall von vielen Seiten scharf kritisiert worden. Er hatte Quatennens bei Twitter für "seine Würde und seinen Mut" gedankt und ihm "Vertrauen und Zuneigung" ausgesprochen. Die Medien und die Polizei hatte er gleichzeitig dafür kritisiert, sich in die Scheidung von Quatennens und seiner Frau eingemischt zu haben. Im Oktober hatte er außerdem in der Sendung "Dimanche en politique" gesagt, Quatennens sei kein Gewalttäter, weil er einmal vor über einem Jahr gewalttätig geworden wäre. Zu den neuen Vorwürfen von Céline Quatennens gegen ihren Mann hat Mélenchon sich bislang nicht selbst öffentlich geäußert.
Für seine damaligen Aussagen gab es aus seinem Parteienbündnis starken Gegenwind. Einige stellten seine Eignung infrage, die linke Koalition zu führen. Luc Broussy von der "Parti socialiste" sagte laut Berichten von "Le Monde", Mélenchons Reaktion zeige, dass er nicht dazu fähig sei, die Führung für eine moderne, humanistische und feministische Linke zu übernehmen. Feminist:innen hatten damals kritisiert, dass es auch in linken Parteien ein System gäbe, was eher männliche Täter schütze, als Opfern zu glauben – auch, weil es mehrere Vorwürfe sexueller Übergriffe innerhalb der Partei gegeben hatte.
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Annette: Von den Vergewaltigungen und den Machetenhieben habe ich lange Zeit große Schmerzen gehabt. Dass ich aber meine Geschichte mit anderen Menschen und vor allem mit meinem Sohn Peter geteilt habe – das hat mir eine Last genommen, das hat mich befreit. Damals, nach dem Völkermord, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich noch lange durchhalten würde. Ich lebte von einem Tag zum nächsten, die Zeit schleppte sich so dahin. Und jetzt ist das Ganze schon 25 Jahre her. Mir geht es besser: Mein Sohn wird bald seinen Abschluss an der Universität machen, selbstständig sein und seine eigene Familie gründen.
Peter: Acht Jahre ist es jetzt her, dass mir meine Mutter von der Vergewaltigung erzählt hat. Sie ist mit mir ins Schlafzimmer gegangen und hat mir alles berichtet, eben auch, dass ich das Ergebnis der Tat bin. Das war für mich sehr schwer zu akzeptieren. Aber meine Mutter liebt mich, genauso mein Stiefvater – das hat mir sehr geholfen. Die Beziehung zu meiner Mutter ist sehr gut. Sie ist mein bester Freund. Was mich selbst angeht, da bin sehr optimistisch: Ich studiere, will später eine Firma gründen und so Jobs für viele Leute schaffen.
Quellen: France TV Info, Stern, Marianne, L'Express, Le Monde