Deutsches Historisches Museum "Mythen der Nationen"

Das Deutsche Historische Museum in Berlin zeigt vom 2. Oktober 2004 an die Ausstellung "Mythen der Nationen". Sie vermittelt die Rezeption des Zweiten Weltkriegs nach 1945 in Europa, Israel und den USA.

Der 60. Jahrestag des Kriegsendes in Europa am 8. Mai 2005 wirft seine Schatten voraus. Nach dem spektakulären Eichinger-Film "Der Untergang" über Hitlers letzte Tage im Mai 1945 widmet das Deutsche Historische Museum in Berlin diesem geschichtsträchtigen Datum eine Dokumentationsausstellung bis zum 27. Februar 2005. Sie geht der Frage nach, welche Erinnerungen, Mythen und Legendenbilder sich in Europa, den USA und Israel mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Völkermord der Nationalsozialisten verbunden haben. Es geht um "umkämpfte Erinnerungen", denn vielfach sind einst heroische Sichten auf die "eigene Geschichte" eher skeptischeren Auffassungen gewichen.

Mehr als 400 Dokumente und 50 Filme

Dazu werden im neuen I.M. Pei-Anbau des Zeughauses Unter den Linden mehr als 400 Dokumente, Fotos, Bücher, Gemälde, Plakate, Zeitungen, Münzen, Briefmarken und Plastiken aus verschiedenen Museen und Privatsammlungen aus Europa und Übersee sowie mehr als 50 Filme präsentiert. Nicht immer wirkt die bruchstückhafte Darstellung überzeugend, oft werden für einzelne Themen oder Länder nur ganz wenige Beispiele gezeigt, die nur in einer weiteren Vertiefung Sinn machen. So bleibt allzu oft ein eher oberflächlicher Gesamteindruck.

Die Nationen sahen sich nach 1945 nicht nur mit den Problemen des Wiederaufbaus konfrontiert, sondern oft mussten sich auch die zerrissenen Gesellschaften, mehrfach gespalten zwischen Mitläufertum, Kollaboration und Widerstand, neu zusammenfinden. Den Gesellschaften stand eine schwierige Wiedergeburt bevor. Dabei fallen auch in dieser Ausstellung zunächst die evident unterschiedlichen Sichtweisen in Ost und West ins Auge.

Heldenkult und Alltag

Österreich ist mit den Themen "Kurt Waldheim und seine NS-Vergangenheit", Thomas Bernhards "Heldenplatz" und Helmut Qualtingers "Der Herr Karl" vertreten. Ein sowjetischer Propagandafilm zeigt jubelnde russische Soldaten vor dem Berliner Reichstag und "Generalissimus" Josef W. Stalin vor seinen siegreichen Truppen: "Ich spreche Ihnen meinen Dank aus zur Einkesselung Berlins!" Später wurden die bis dahin gültigen patriotisch-heroischen Klischees der Stalin-Zeit durch eine realistische Darstellung des Krieges ersetzt. Jetzt wurden neben dem Heldenkult auch der Alltag der einfachen Soldaten sowie der Schrecken von Trümmern, Verwundung und Tod geschildert.

Ein Regal mit 60 Aktenordnern voller Berichte über die umstrittene Wehrmachtsausstellung in der Bundesrepublik von 1995 bis 1999 dokumentiert die schmerzhafte Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer jüngsten Vergangenheit und mit der Rolle der Wehrmacht bei den NS-Verbrechen. Daneben ist das Ölbild "Onkel Rudi" von Gerhard Richter von 1965 zu sehen, ein bewusst unscharfes Porträt eines Wehrmachtsoffiziers. "Der Massenmörder könnte unser Onkel sein" ist der Tenor des Bildes, das auf das gesamtgesellschaftliche Problem im Nachkriegsdeutschland verweist, wie es schon Wolfgang Staudtes Film von 1946, "Die Mörder sind unter uns" mit Hildegard Knef, thematisierte.

Beeindruckende Palette

Die Filme werden in Ausschnitten auf Monitoren in der Ausstellung gezeigt und wirken hier omnipräsent. Sie sind oft die eigentlich bemerkenswerten Sichten auf die Geschichte und werden in voller Länge in einem Begleitprogramm im Zeughaus-Kino gezeigt. Die Palette ist beeindruckend. Zu sehen sind Filmklassiker wie "Rom, offene Stadt" von Roberto Rossellini von 1945, "Die Brücke" von Bernard Wicki (1959), Frank Beyers "Jakob, der Lügner" (1975), "Shoah" von Claude Lanzmann (1985), Hans-Jürgen Syberbergs "Hitler, ein Film aus Deutschland" (1976/77), "Das Boot ist voll" von Markus Imhoof (1981) und "Schindlers Liste" von Steven Spielberg von 1993.

Zu den beeindruckendsten Ausstellungsobjekten gehören die Originale von Anne Franks berühmten Tagebuchnotizen von 1943. Sie waren von großer Bedeutung für das Erinnern an den Völkermord an den europäischen Juden. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen (Verlag Philipp von Zabern, 970 S., 128 Euro, im Museum 50 Euro).

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Wilfried Mommert/DPA