Keine andere historische Gestalt steht so für barbarische Grausamkeit und unstillbaren Blutdurst wie Dschingis Khan. Um den berüchtigten Anführer der mongolischen Reiterhorden ranken sich Legenden und Zerrbilder. Die Bundeskunsthalle in Bonn beleuchtet mit einer umfassenden und international bisher einmaligen Ausstellung den dunklen Mythos des einstigen Weltherrschers und spürt auch den einseitigen Schreckensklischees nach. Die Schau "Dschingis Khan und seine Erben - Das Weltreich der Mongolen" wird von diesem Donnerstag (16. Juni) an bis zum 25. September gezeigt.
Dschingis Khan (1155-1227) unterwarf mit seinen Heeren aus den weiten Steppen Zentralasiens viele Völker und beherrschte ein riesiges Reich. Er war jedoch auch ein umsichtiger und geschickter Herrscher. Ihm gelang es, ein Imperium von China bis Europa zusammenzuhalten, straff zu organisieren und unter einer Pax Mongolica im 13. Jahrhundert für einen freien und fruchtbaren Verkehr von Menschen und Gütern zwischen Europa und Asien zu sorgen, wie in der Ausstellung dokumentiert wird.
"Sohn seiner Zeit"
Wenn über seine Grausamkeiten berichtet werde, dann dürfe nicht vergessen werden, dass Dschingis Khan "ein Sohn seiner Zeit" gewesen sei und es anderswo keineswegs gemäßigter zuging, erklärt der Bonner Mongolen-Experte Klaus Sagaster. Die Willkür der Mongolen sei eher noch geringer gewesen als die ihrer Gegner. Aber sie seien einer Linie gefolgt: "Wer sich ergab, wurde geschont, wer Widerstand leistete oder gar rebellierte, nachdem er sich bereits unterworfen hatte, wurde erbarmungslos vernichtet."
Aus alten Berichten selbst von Feinden gehe hervor, dass Dschingis Khan seine Kriege keineswegs schonungsloser geführt habe als andere Herrscher der damaligen Zeit auch, betont Sagaster. Marco Polo, der lange Jahre am Hofe von Dschingis Khans Enkel, Khubilai Khan, lebte, berichtete, dass er "gut und ehrlich" regiert habe. Unter seiner Führung sei der Handel aufgeblüht, er sei tolerant gegenüber unterschiedlichen Kulturen und Religionen gewesen, und er habe ein Postsystem aufgebaut, das einen Kurierverkehr und rasche Nachrichtenübermittlungen über große Distanzen ermöglichte.
Hoch zu Ross eroberten die Mongolen unter Dschingis Khan als wilde Reiterkrieger und virtuose Bogenschützen erst alle Nachbarregionen und dann Ost- und Mitteleuropa wie im Sturm. Perser, Araber, Russen, Polen und Türken wurden niedergeworfen. Erst wenige Jahre davon waren die Nomadenstämme aus den weiten Steppen von Häuptling Temüdschin erstmals zu einem großen Staat geeint worden. Er war vom einfachen Nomadenjungen aufgestiegen und wurde zum Dschingis Khan ausgerufen, zum "ozeangleichen Herrscher".
Kein Grab, keine Bauwerke, keine Kunstschätze
Während wir von anderen einstigen Herrschern nur wissen, weil sie zu Lebzeiten durch Paläste oder Prachtgräber für ihren Nachruhm sorgten, hinterließ Dschingis Khan weder Bauwerke noch Kunstschätze. Von seinem Grab ist bis heute nicht sicher bekannt, wo es überhaupt liegt. So rasch wie das Mongolenreich entstanden war, zerfiel es auch wieder.
Die Bonner Ausstellung folgt den Spuren des Mongolenreichs und skizziert auch die Nachwirkungen. Empfangen wird der Besucher von einer neunfüßigen Weißen Standarte aus Holz, Pferdehaar, Stoff und Kupferblech - einem Herrschaftszeichen. Zu den rund 500 Exponaten gehören gekrümmte Bögen, Köcher aus Birkenrinde mit Pfeilen, sakrale Kunstwerke und historische Manuskripte. Viele Zeugnisse belegen einen kulturellen Austausch zwischen den nomadischen Eroberern und sesshaften Völkern.
In einem Brief bittet der damalige Papst Innozenz IV. ("An den Herrscher und das Volk der Tartaren") im Jahr 1245 darum, die Angriffe insbesondere auf christliche Länder einzustellen. Das älteste bekannte Porträt von Dschingis Khan stammt von chinesischen Hofmalern aus der Yuan-Dynastie (14. Jahrhundert). Es zeigt ihn in einer Zobelfellmütze und weißer Lederkleidung und rasiertem Haupthaar.
Neue Ausgrabungsstücke aus Karakorum
Erstmals zu sehen sind neue Ausgrabungsfunde aus der noch unter Dschingis Khan gegründeten Hauptstadt Karakorum ("schwarzer Fels"). Sie entwickelte sich rasch zu einer multireligiösen Metropole, bevor sie 1380 von den Chinesen zerstört wurde. Seit vier Jahren graben Bonner Archäologen gemeinsam mit mongolischen Wissenschaftlern die Überreste der wiederentdeckten Stadt aus. Zu den überraschenden Ergebnissen zählt die Entdeckung eines buddhistischen Heiligtums. Es belegt, dass der Buddhismus bereits im 13. Jahrhundert im mongolischen Gebiet als Staatsreligion verbreitet war.