Zeitzeuge "Es war die Hölle auf Erden"

"Bumm, bumm, bumm hörten wir es aus der Ferne dröhnen, dann regnete es Stabbrandbomben über das Haus", erinnert sich der damals 17-jährige Horst Neumann. Die "Operation Gomorrha" erlebte er als "Luftschutzsicherheitswache" unweit des Rathauses.

In der Nacht vom 24. auf den 25. Juli vor 60 Jahren begannen mit der "Operation Gomorrha" die massiven alliierten Bombenangriffe zur Zerstörung Hamburgs. "Es war die Hölle auf Erden", erinnert sich der damals 17-jährige Horst Neumann in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Mehr als 40 000 Menschen starben in wenigen Tagen, die total zerstörten Stadtteile Rothenburgsort, Hamm und Hammerbrook wurden zur "Todeszone" erklärt.

"Alles war platt"

Man habe das Sperrgebiet nicht betreten dürfen, aber von den Zügen in Richtung Berlin sah man es: "Alles war platt, nur Ruinen, soweit man sehen konnte". "Was dort im Sperrgebiet passiert war, wusste damals kaum jemand. Auch die Zahl der Toten war unbekannt", sagt Neumann: "Von den Davongekommenen musste sich jeder um sich selbst kümmern, aber alle waren sich einig im Schrei nach Vergeltung."

Der jetzt 77-jährige Zeitzeuge, von 1946 bis 1985 Feuerwehrmann in Hamburg, war 1943 noch Maurerlehrling. "Gomorrha" erlebte er zusammen mit anderen Jugendlichen als "Luftschutzsicherheitswache" im Kaufmannshaus an den Großen Bleichen unweit des Rathauses. "Gegen Mitternacht gab es Feueralarm, und dann ging es auch schon los: bumm, bumm, bumm hörten wir es aus der Ferne dröhnen, dann regnete es Stabbrandbomben über das Haus", erinnert sich Neumann. In dem sechsgeschossigen Gebäude mit 4200 Quadratmeter Grundfläche versuchte "eine Hand voll Mädchen und junge Kerle mit Schaufeln voll Sand und Wassereimern" zahlreiche Bürobrände zu löschen. "Wir waren total auf uns selbst gestellt, es gab keine Hilfe". Innerhalb von zwölf Stunden waren alles ausgebrannt.

"Vorher überlegte Taktik nicht umsetzbar"

Bei der Brandbekämpfung sei vieles von der vorher überlegten Taktik nicht umsetzbar gewesen. Die am Stadtrand kasernierte Feuerwehr sei oft nicht zum Einsatzort gekommen, weil umgestürzte Hausfassaden die Straße versperrten. "Manchmal versuchten sie zu löschen, dann stürzte hinter ihnen ein Haus ein und sie kamen nicht mehr heraus", sagt Neumann.

In Rothenburgsort und Hamm habe es in den Tagen des Feuersturmes keine wirksame Brandbekämpfung gegeben. "Es gab viele Hinterhöfe, die Häuser hatten Holzbalkendecken - im ganzen Viertel gab es für die Feuerwehr absolut keine Chance, sie konnten nur zugucken", meint Neumann. Bis auf wenige Ausnahmen war auch das Retten von Menschen unmöglich: "Die Opfer waren sich selbst überlassen."

"Arme Deibel in KZ-Sträflingsjacken"

Auch in anderen Hamburger Stadtteilen waren in den Wochen danach viele Bombenschäden zu sehen. "Auf meinem Weg zur Arbeit in Fuhlsbüttel sah ich arme Deibel in KZ-Sträflingsjacken und Holzpantinen, die tagelang bei brütender Hitze mit einfachstem Werkzeug in Trümmern nach Verschütteten suchten."

Unter dem Eindruck der Katastrophe ging Neumann kurz nach Kriegsende zur Feuerwehr. "In den 70er Jahren erstellte ich auch das brandschutztechnische Gutachten für das wieder erstandene Kaufmannshaus, das ich als Jugendlicher nicht retten konnte."

"Ich bin traumatisiert fürs ganze Leben"

Inzwischen lebt der Rentner in einem Mehrfamilienhaus im Stadtteil Hamm - "zerstört 1943 - aufgebaut 1954" steht auf einer Plakette an der Fassade. Auch wenn die schrecklichen Ereignisse sechs Jahrzehnte zurückliegen: "Ich bin traumatisiert fürs ganze Leben." Fernsehbilder wie kürzlich von den Bomben auf Bagdad trieben ihm Tränen in die Augen: "Vor Verzweiflung und Wut auf die Deppen, die nichts lernen und mit ihren Kriegen und immer weiter machen. Immer wieder".

DPA

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