"heute wichtig" Jugendliche in der Corona-Zeit: "Wir wurden total vernachlässigt"

Jugendliche fühlten sich laut einer Umfrage während Corona vernachlässigt
Alleingelassen – dieses Gefühl hatten viele Jugendliche während der Corona-Pandemie
Der stern hat in einer großen Jugendstudie in Zusammenarbeit mit dem Kölner Rheingold-Institut gefragt: Was hat die Corona-Pandemie mit den 15- bis 19-Jährigen gemacht? Marie Schmitt ist 17 und erzählt bei "heute wichtig": "Ich finde, wir Schüler wurden total vernachlässigt".

Fünf Minuten vor Schulbeginn klingelt der Wecker. Marie steht auf, zieht sich schnell einen Pullover und eine Jogginghose über, und setzt sich dann vor den Computer. "Guten Morgen", ertönt es aus dem Bildschirm. Schon da ertappt sich Marie dabei, wie sie gedanklich abschweift. Kurz darauf fängt sie an zu zocken. Hauptsache Ablenkung von dem monotonen Alltag, den die Corona-Pandemie ihr beschert hat. 

Marie Schmitt ist 17 Jahre alt. Phasenweise hat sie sich während der Corona-Maßnahmen kaum wiedererkannt, sagt sie heute in der 298. Folge des Podcasts "heute wichtig": "Ich war aggressiv, traurig, bin dicker geworden während der Pandemie. Das war einfach nicht mehr ich." Geholfen hat ihr, als die Fitnessstudios wieder aufgemacht haben und sie wieder Freund:innen treffen konnte. Aus diesem Loch hat sie sich selbst mühsam wieder herausgearbeitet. Doch geblieben ist bis heute eine gewisse Grundangst, und Wut: "Große Werke wie Mercedes oder Lufthansa haben unendlich viel Geld bekommen. Es ging immer nur um die Wirtschaft. Aber was komplett vergessen wurde, ist: Wie geht es eigentlich den Schülern?"

In der Corona-Pandemie: "Wir Schüler wurden total vernachlässigt"

So wie Marie ging es vielen Schüler:innen während der Corona-Pandemie. Das zeigen die Ergebnisse der großen "stern"-Jugendstudie in Zusammenarbeit mit dem Kölner Rheingold-Institut. 1023 Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren wurden in der repräsentativen Studie befragt, 30 davon antworteten ausführlich in tiefenpsychologischen Interviews. 80 Prozent der Jugendlichen gaben an, sich von der Politik nicht beachtet zu fühlen. 57 Prozent haben deshalb kein Vertrauen mehr in die Politik.  

Marie Schmitt wird bald 18 Jahre alt, bei der nächsten Wahl darf auch sie auf Bundesebene wählen. Die Schülerin spricht von Wut auf die Entscheider:innen, sie hat aber trotzdem kein Verständnis für Menschen, die sich populistischen Parteien oder anderen, radikaleren Gruppierungen zuwenden: "Eine Pandemie ist zwar eine lange Zeit, aber die vergeht. Und wenn man jetzt nur deshalb anfängt radikaler zu wählen, oder in eine Richtung zu gehen, die man sonst nicht hatte, ist das doch keine sinnvolle Entscheidung."

Michel Abdollahi
© TVNOW / Andreas Friese

Podcast "heute wichtig"

Klar, meinungsstark, auf die 12: "heute wichtig" ist nicht nur ein Nachrichten-Podcast. Wir setzen Themen und stoßen Debatten an – mit Haltung und auch mal unbequem. Dafür sprechen Host Michel Abdollahi und sein Team aus stern- und RTL-Reporter:innen mit den spannendsten Menschen aus Politik, Gesellschaft und Unterhaltung. Sie lassen alle Stimmen zu Wort kommen, die leisen und die lauten. Wer "heute wichtig" hört, startet informiert in den Tag und kann fundiert mitreden.

 

"Menschenleben gehen vor, nicht die Wirtschaft"

Für die Zukunft ist Marie desillusionierter, aber auch resilienter als die Menschen vorheriger Generationen. Sie wünscht sich vor allem, dass die politischen Entscheider:innen aus der Corona-Pandemie lernen: "Schulen sollte man nicht mehr schließen, das sorgt nur dafür, dass Schüler nicht mehr hinterherkommen und man aus dem sozialen Umfeld herausgerissen wird. [...] Es darf nicht sein, dass in einem Land wie Deutschland Menschen ausgeschlossen werden."

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mkb / cl