Südchinesisches Meer Warum die Philippinen im Streit mit China seit 1999 ein rostiges Schiff besetzen

  • von Kevin Schulte
Seit 1999 liegt die "Sierra Madre" auf einem Riff 200 Kilometer vor der philippinischen Küste
Seit 1999 liegt die "Sierra Madre" auf einem Riff 200 Kilometer vor der philippinischen Küste
© Ted ALJIBE / AFP
Die Philippinen besetzen seit 30 Jahren ein rostiges Schiff im Südchinesischen Meer. China wehrt sich. Mit Wasserwerfer-Attacken und Blockaden piesackt die chinesische Küstenwache die philippinische Marine. 

Dieser Artikel erschien zuerst auf n-tv.de

1999 lassen die Philippinen die "BRP Sierra Madre" absichtlich auf einem Riff vor der Second-Thomas-Untiefe auf Grund laufen. Seitdem halten kleinere Delegationen der philippinischen Marine das frühere Landungsschiff der US-Armee aus dem Vietnam-Krieg besetzt. Der einzige Grund? Die Regierung in Manila will ihre Ansprüche im Südchinesische Meer absichern - und ein deutliches Signal an China senden. Denn bereits seit 1995 besetzen Einheiten der Volksbefreiungsarmee das Mischief-Riff ganz in der Nähe. Auf die Second-Thomas-Untiefe erhebt die Führung in Peking ebenfalls Anspruch.

Keine Meeresregion ist so umstritten wie das Südchinesische Meer. Gleich mehrere Länder erheben Anspruch auf das Gewässer - China, Taiwan, Vietnam, Malaysia, Indonesien, Brunei, die Philippinen. Das hat vor allem mit riesigen Erdöl- und Erdgasvorkommen im Meeresboden zu tun. Das Gebiet zwischen der Insel Borneo und der chinesischen Ostküste ist aber auch militärisch wichtig, falls es zu einem chinesischen Angriff auf Taiwan kommen sollte. Und die Wasserstraße ist die meistbefahrene der Welt: Mehr als die Hälfte aller jährlich verschifften Waren werden durch das Südchinesische Meer transportiert.

Schlagabtausch per Funk

Das Gebiet ist ein geostrategischer Hotspot und Schauplatz etlicher Scharmützel verschiedener Anrainerstaaten. Zum Beispiel hat die chinesische Küstenwache Anfang dieser Woche in der Nähe der Spratly-Inseln zwei philippinischen Schiffen die Durchfahrt zur Second-Thomas-Untiefe blockiert. Das Atoll liegt etwa 200 Kilometer westlich der philippinischen Insel Palawan.

Nach fünf Stunden war die Blockade vorbei. Die chinesische Küstenwache erlaubte den philippinischen Schiffen aus "humanitären Gründen" doch die Durchfahrt. Lebensmittel und andere lebensnotwendige Dinge könnten zu dem "illegal liegenden Schiff" transportiert werden, teilen die (bewaffneten?) chinesischen Seefahrer den philippinischen per Funk mit.

Die Antwort der philippinischen Küstenwache fällt deutlich aus. Die chinesische Küstenwache befinde sich "in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen". Die Handlungen "wirken sich auf die Beziehung der beiden Länder aus", teilt sie per Funk mit. 

Philippinen: Illegale Besetzung durch China

Zu Recht, denn das internationale Recht steht seit 2016 aufseiten der Philippinen: Damals hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag entschieden, dass der Anspruch der Philippinen auf das an Atollen reiche Gebiet vor ihrer Küste gerechtfertigt ist. Demnach liegt die "Sierra Madre" innerhalb der exklusiven Wirtschaftszone der Philippinen. Der chinesische Anspruch dagegen hat keine rechtliche Grundlage. Die seit fast 30 Jahren andauernde Besetzung des Mischief-Atolls ist illegal.

Doch Peking ignoriert die Rechtsprechung, behauptet, das Urteil sei "politisches Theater". Deshalb kommt es in den Gewässern immer wieder zu kleineren und größeren Scharmützeln zwischen China und den Philippinen. Erst Anfang August hatte die chinesische Küstenwache zwei philippinische Schiffe, die Lebensmittel, Wasser und andere Vorräte zur "Sierra Madre" bringen wollten, mit Wasserkanonen beschossen.

Jonathan Malaya, der stellvertretende Direktor des nationalen Sicherheitsrats der Philippinen, sprach von "aggressiven, gefährlichen und rechtswidrigen" Aktionen der chinesischen Küstenwache. Damit werde das "Leben der philippinischen Besatzung gefährdet". Es handele sich um einen Verstoß "gegen das humanitäre und internationale Recht".

USA als mächtiger Verbündeter

Die chinesischen Verstöße sind eindeutig, und doch werden sie vermutlich nicht aufhören. Denn Peking erwartet, dass die Philippinen das rostende Schiff ausbauen und militärisch verstärken wollen: Man habe philippinische Schiffe mit "illegalen Baumaterialien an Bord" gestoppt, sagt die chinesische Küstenwache. Die Wasserwerfer-Attacke sei eine "Warnung" gewesen, um die Philippinen zum Abschleppen der "Sierra Madre" zu drängen und das rostende Schiff endlich zu beseitigen.

Ähnlich lief es Anfang des Jahres: Damals hatte die chinesische Küstenwache das philippinische Schiff mit einem "militärischen Laser" vor Lebensmittellieferungen zur "Sierra Madre" "gewarnt".

China will sich ganz offensichtlich nicht mit den geltenden Gesetzen im Südchinesischen Meer abfinden. Doch die Philippinen wissen einen mächtigen Verbündeten hinter sich: Die USA unterstützen die Regierung in Manila dabei, die "Sierra Madre" zu "überholen und zu verstärken": Nach dem Wasserwerfer-Beschuss versicherte der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin seinem philippinischen Amtskollegen Gilberto Teodoro Jr. in einem Telefonat den "eisernen Charakter des amerikanisch-philippinischen Bündnisses".

Deutlich wird das auch in einem Verteidigungsabkommen, das Anfang dieses Jahres erneuert wurde: Bislang hatten amerikanische Soldaten Zugang zu fünf Militärbasen auf den Philippinen. Anfang des Jahres beschlossen die beiden Länder, dass die USA vier weitere Stützpunkte bekommen sollen.

Sollten die Philippinen angegriffen werden, können sie auf die Unterstützung der USA bauen. Das gilt auch für die "Sierra Madre" - das vielleicht einflussreichste rostende Schiff der Welt.