Entweder alle oder keiner! Auf diese Formel lässt sich die breite Kritik am maskenlosen Regierungsflug von Kanzler Scholz und Vize Habeck runterbrechen. "Ohne gleiche Regeln für alle, geht es nicht", wird etwa CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge von der "Bild" zitiert. Gleiche Regeln für die gleiche Situation also. Aber ist der Regierungsflieger von Scholz und Habeck überhaupt die gleiche Situation wie ein Linienflug?
Bei Weitem nicht. In den Regierungsfliegern der Luftwaffe gibt es, anders als beim Linie fliegen, keine Maskenpflicht. Aber nicht, weil dort keiner an den Erfolg der Maßnahme glauben würde, sondern weil es dort etwas effektiveres gibt: die PCR-Testpflicht. Alle Passagiere, Habeck und Scholz samt Entourage, einige Journalisten und Interessensvertreter, insgesamt ein paar Dutzend Menschen, haben maximal 24 Stunden vor Abflug einen PCR-Test gemacht.
Dass man diese Gruppe nun also verpflichtet sich den kompletten Atlantiküberflug nur maskiert zu unterhalten, macht medizinisch schon mal keinen Sinn. Sie mussten sich mehr vorbereiten als der Linienpassagier und durften daher im Flugzeug weniger beachten. So weit die Logik – die ja in vielen Debatten leider nicht den Ton angibt.
Die Macht der Bilder
Wenn die Logik die Aufregung nicht rechtfertigt, dann ist sie ja vielleicht politikspezifisch. Gewählte Vertreter müssen qua ihrer exponierten Rolle immer mitdenken: Wie kommt das an? Wie sehen die Bilder aus? Dass sich manche Portale oder Oppositionelle auf die Bilder stürzen würden, damit hätten Scholz und Habeck rechnen können. Eine Empfehlung für die Maske gab es ja schließlich auch im Regierungsflieger. Tenor: Uns schreiben sie's vor und lachen sich dann eins.
Dabei haben Scholz und Habeck, in gewisser Weise, gezeigt wie es geht. Beide haben etwas getan, was in den vergangenen zwei Jahren, zumindest beim Thema Corona, etwas rarer geworden ist: abgewogen und selbst entschieden. Das Risiko, besonders auf dem Hinflug mit frischem Test, war minimal. Sollte man nun also eine Maske tragen aus Solidarität mit Menschen in einer nicht vergleichbaren Situation oder gar aus Angst vor Bildern, die einem die "Bild" um die Ohren haut? Nein, natürlich nicht. Scholz und Habeck wollten sich auf dem Flug unterhalten (das vermutlich vor allem letzterer), offen gebliebene Journalistenfragen beantworten, die weiteren Termine planen. Alles Dinge, die ohne Maske besser gehen (wobei die Liste der Dinge, die mit Maske besser gehen, eine ohnehin sehr kurze ist).
Die Entscheidung war also nachvollziehbar, viele hätten sie in der aktuellen Lage vermutlich ähnlich getroffen. So wie wir alle in den letzten Wochen und Monaten wieder mehr selbst abwägen und entscheiden mussten und müssen. Das Verhalten im Regierungsflieger fällt eben schon in den richtigerweise immer größer werdenden Bereich der Eigenverantwortung. Das Verhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln eben noch nicht – übrigens auch nicht für Minister und Kanzler. Stichwort: gleiche Regeln.