Münchner Sicherheitskonferenz Selenskyj fordert "Streitkräfte von Europa"

Wolodymyr Selenskyj bei der Sicherheitskonferenz in München
Wolodymyr Selenskyj bei der Sicherheitskonferenz in München
© Boris Roessler / DPA
Durch Russland bedroht, von den USA vielleicht nicht mehr geschützt – so wertet Selenskyj Europas Situation. Der ukrainische Präsident plädiert deshalb für eigene Stärke.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die europäischen Verbündeten vor möglichen russischen Angriffen gewarnt. Mit Blick auf die Vorwürfe gegen Russland, Migranten gezielt über Belarus in die EU zu schleusen, fragte Selenskyj am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz: "Was, wenn es beim nächsten Mal nicht Migranten sind, was, wenn es russische Soldaten sind oder nordkoreanische Soldaten?" Und mit Blick auf die Nato fragte er: "Wie schnell werden ihre Bündnispartner reagieren und werden sie überhaupt reagieren?"

Die EU-Nachbarstaaten werfen Russland und seinem Verbündeten Belarus vor, Migranten im Rahmen "hybrider" Angriffe gezielt an den Grenzen Nord- und Osteuropas auszusetzen und über die EU-Grenzen zu drängen. Angaben südkoreanischer und westlicher Geheimdienste zufolge hat Nordkorea mehr als 10.000 Soldaten nach Russland entsandt, um die ukrainische Offensive in der Grenzregion Kursk aufhalten zu helfen.

Selenskyj fordert gemeinsame "Streitkräfte von Europa"

Selenskyj sagte mit Blick auf die neue US-Regierung, die alten Beziehungen zwischen Europa und den USA "gehen zuende", von nun an "werden die Dinge anders sein". Der ukrainische Präsident rief Europa angesichts der Unsicherheit über Unterstützung aus Washington dazu auf, in seinem "eigenen Interesse zu handeln". Europa müsse "zusammenkommen und auf eine Art und Weise handeln, dass niemand Nein zu Europa sagen kann, es herumkommandieren oder wie einen Schwächling behandeln kann".

Europa müsse "unabhängig" werden, forderte Selenskyj. Die Zeit für die gemeinsamen "Streitkräfte von Europa" sei gekommen.

Selenskyjs Äußerungen erfolgten inmitten zunehmender Ungewissheit über die Haltung der USA zum Ukraine-Krieg. US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch ein anderthalbstündiges Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geführt, ohne sich vorab mit den Europäern abzustimmen. Im Anschluss erklärte er, er habe mit Putin einen "unverzüglichen" Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart.

Der ukrainische Präsident forderte erneut, dass Kiew und Europa an Entscheidungen über die Beendigung der Kämpfe in der Ukraine beteiligt werden müssten. "Keine Entscheidungen über die Ukraine ohne die Ukraine, keine Entscheidungen über Europa ohne Europa", sagte er.

"Russland braucht einen Krieg"

In diesem Zuge appellierte Selenskyj an eine geschlossene Haltung Europas gegen Russland. "Wir müssen gemeinsam Druck ausüben für einen gerechten Frieden", rief Selenskyj die Europäer auf. "Wenn es nicht Brüssel ist, dann ist es Moskau. So funktioniert Geopolitik", sagte er. Russlands Präsident Wladimir Putin sei nicht an einem Frieden interessiert, vielmehr brauche er den Krieg, um seine Macht zu erhalten.

"Putin kann keine echten Sicherheitsgarantien anbieten, nicht nur, weil er ein Lügner ist, sondern weil Russland einen Krieg braucht, damit er an der Macht bleiben kann", sagte Selenskyj. Putin wolle keinen Frieden und bereite auch keinen Dialog vor. "Putin lügt, und er ist vorhersehbar, er ist schwach, und das müssen wir ausnutzen."

AFP · Reuters · DPA
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