Pressestimmen Ursula von der Leyen – "die richtige Frau für unsichere Zeiten, die falsche, um die EU-Stimmung zu verbessern"

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen möchte ihre Amtszeit an der Spitze der Staatengemeinschaft verlängern
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen möchte ihre Amtszeit an der Spitze der Staatengemeinschaft verlängern
© Markus Schreiber / AP / Picture Alliance
Zunächst hielt sie sich bedeckt, jetzt steht fest: Ursula von der Leyen möchte weiter an der Spitze der EU stehen. Deutsche und internationale Medien schreiben: So schlecht ist das gar nicht.

Jetzt ist es offiziell: Ursula von der Leyen strebt eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission an – und hat dafür die einhellige Unterstützung der Union. Demokratie und Werte in Europa "müssen wir weiter verteidigen gegen die Spaltung von innen und von außen", kündigte die CDU-Politikerin am Montag in Berlin bei einem gemeinsamen Auftritt mit CDU-Chef Friedrich Merz als wichtigstes Ziel an.

Von der Leyen sagte, im Wahlkampf zur Europawahl Anfang Juni seien die wichtigsten Themen "die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit, die wir verteidigen und der Frieden, den wir zusammen haben". Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der AfD oder anderen extremen Kräften "ist die Demokratie in Europa im Weg. Sie wollen sie zerstören, sie wollen Europa zerstören." Die Menschen müssten dabei helfen, "dass ihr Europa erhalten bleibt" und auch in Zukunft ein sicherer Ort bleibe. Deshalb sei es so wichtig, "zur Wahl zu gehen und die Mitte zu stärken". Im Wahlkampf werde sie strikt zwischen ihren Rollen in EU und CDU trennen, versprach sie: Eine Kommissionspräsidentin müsse "absolut farbenblind sein".

Das sagt die Presse zur Nominierung von der Leyens:

Eine "ideale Besetzung" – oder muss Ursula von der Leyen nachlegen?

"OM-Medien": "Zweifellos ist von der Leyen eine ideale Besetzung für die EVP-Spitzenkandidatur: Sie hat in der Corona-Pandemie und in den nachfolgenden Krisen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine gezeigt, wie stark die EU als Gemeinschaft sein kann. Zugleich ist es in ihrer Amtszeit gelungen, eine Übereinkunft in der Migrationspolitik zu erzielen. Ursprünglich war der 'Green Deal' ihr Hauptprojekt – sie zog es mit durch. Allerdings: von der Leyen muss ein Wahlprogramm vertreten, das eine Korrektur an ihrem bisherigen 'grünen' Kurs bedeutet. Kann das glaubwürdig sein?"

"Lausitzer Rundschau": "Dass Ursula von der Leyen auch nach der Europawahl Kommissionspräsidentin bleiben wird, gilt als so gut wie sicher. Klar ist aber auch, dass die CDU-Politikerin nicht so weitermachen kann wie bisher. Denn es hat viel mit der Kommission von der Leyen zu tun, dass Wirtschaft und Bürger in ihrem Alltag mit immer mehr Vorschriften behelligt werden. Wenn Deutschland und Europa in den kommenden Jahren wirtschaftlich nicht weiter zurückfallen wollen, muss von der Leyens zweite Amtszeit unter dem Leitmotiv der Deregulierung stehen."

Internationale Pressestimmen

"Die Presse": "Sie ist diszipliniert, geschmeidig und machtpolitisch effizient. Die richtige Frau für unsichere Zeiten, die falsche, um die EU-Stimmung zu verbessern. (...) Müsste von der Leyen ein Zeugnis für ihre erste Amtszeit ausgestellt werden, würde sie ein Sehr Gut für ihre Disziplin erhalten, ein Gut für ihre Reaktionsfähigkeit in Krisen und ein Genügend für angestoßene Reformen. Ihre schlechteste Note gäbe es für Transparenz. Denn obwohl die Deutsche dem EU-Parlament und den EU-Regierungsvertretern regelmäßig Rede und Antwort steht, bleibt sie im Umgang mit der Öffentlichkeit mehr als nur zurückhaltend. (...)

Diese Art der flexiblen Steuerung der europäischen Politik, bei der Ziele vernebelt werden, umschifft und dann plötzlich wieder auftauchen, nimmt die Menschen nicht mit. Sie verlieren in einer solchen Scharade von kaum nachvollziehbaren, intransparenten und widersprüchlichen Entscheidungen den Überblick und letztlich das Vertrauen in die Europäische Union."

"NZZ": "Die EU als geopolitischer Akteur: Was jahrelang nur Schlagwort war, wurde mit dem Überfall auf die Ukraine zum Gebot. Auf die russische Aggression musste eine gemeinsame wirtschaftliche, politische und militärische Antwort gefunden werden. Auch da war von der Leyen schnell und klar. Der Angriff auf die Ukraine, so ihre Botschaft, ist auch ein Angriff auf die EU. Diese muss deshalb alles tun, um den Untergang des Landes zu verhindern. Flüchtlingsaufnahme, Sanktionen, Finanz- und Waffenhilfen: dass die EU zu dem Kraftakt fähig sein würde, hätten ihr wenige zugetraut (und der Konsens ist oft prekär genug). Doch mit der Einladung an Kiew, EU-Mitglied zu werden, preschte von der Leyen gleich nochmals vor und zwang damit die leise murrenden Mitgliedstaaten auf Kurs.

Die EU-Kommissionspräsidentin hat nur wenig formale Macht. Sie ist letztlich bloß die Vorsteherin einer Verwaltung, die auf den politischen Willen der Mitgliedsstaaten angewiesen ist. Dank ihrem politischen und strategischen Gespür aber hat es von der Leyen mehrfach geschafft, auf den Kipppunkten von Krisen die Themen und Deutungen vorzugeben. Und sie lag damit richtig."

"De Telegraaf": "In der europäischen Blase überrascht es niemanden, dass von der Leyen eine weitere Runde anstrebt. (...) Die Umfragen sprechen im Moment für von der Leyen. Und was noch wichtiger ist: Die meisten EU-Mitgliedstaaten möchten mit ihr weitermachen. Das heißt aber nicht, dass die Brüsseler Baronin den bisherigen Kurs beibehalten kann. Immer mehr Mitgliedstaaten, darunter auch die Niederlande, schwenken bei nationalen Wahlen nach rechts. In vielen Ländern gibt es zudem ernsthafte Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.

In den letzten Jahren hat die EU eine Rekordzahl an Umweltvorschriften erlassen, aber die Praxis zeigt, dass die Industrie Schwierigkeiten hat, damit Schritt zu halten. Abgesehen davon verfolgen die Amerikaner einen klügeren Ansatz: Steuererleichterungen statt Subventionen und vor allem weniger Vorschriften statt mehr. Gleichzeitig drängt China mit Elektroautos zu Dumpingpreisen auf den europäischen Markt.

Von der Kommissionspräsidentin wird erwartet, dass sie sich von der ultragrünen Agenda verabschiedet, die sie zusammen mit dem einstigen niederländischen EU-Kommissar Frans Timmermans aufgestellt hatte. Die Klimaziele bleiben bestehen, aber von der Leyen sollte wohl einen weniger ideologisch motivierten Weg einschlagen."

DPA
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