Bundeswehr Warum der Ukrainekrieg zeigt, dass die Wehrpflicht für Rekruten eine ganz dumme Idee ist

Ein Friedhof in der Ukraine: hier liegen viele Wehrpflichtige begraben
Ein Friedhof in der Ukraine: hier liegen viele Wehrpflichtige begraben
© Ukrin / DPA
Vor dem Hintergrund von Putins Angriffskrieg diskutiert Deutschland die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Dabei beweist das Gemetzel in der Ukraine, dass die Grundausbildung der Kurzzeitsoldaten nur ein Ticket ins Jenseits ist.

Wie die Neugestaltung der Wehrpflicht konkret aussehen soll, ist in Vielem unklar. Müssen Frauen dienen? Wie lange soll der Dienst dauern? Wie viele Personen will die Bundeswehr aus einem Jahrgang von etwa 700.000 Personen tatsächlich ziehen? Vermutliche keine 50.000. Doch wer bezahlt dann den Sozialen Dienst der übrigen 650.000?

Das ist alles noch sehr nebulös. Dem wolkigen Pistorius-Projekt steht eine unumstößliche Wahrheit aus dem Krieg in der Ukraine gegenüber. Und sie lautet: Knapp ausgebildete Eingezogene haben keine Überlebenschance. Nicht schlechte Chancen – keine Chancen. Sie sind reines Kanonenfutter und überleben etwa acht Stunden Straßenkampf. Wer wollte, konnte das die ganze Zeit des Krieges hören. Ukrainische und russische Veteranen berichten regelmäßig, wie Frischlinge in ihrer Stellung auftauchen und als 200er (tot) oder 300er (verwundet) wieder verschwinden.

Ukraine: Gekommen, um zu sterben 

Nur geborene Krieger und Personen mit längerer militärischer Vorgeschichte können länger an der Front bestehen. Das wird bei kurz dienenden Bundeswehrrekruten nicht anders sein. Vermutlich wird die Ausbildung in einer gemütlichen Friedensarmee ohne echte Kampferfahrung eher schlechter sein als in kämpfenden Streitkräften, bei denen die Ausbilder das Inferno von Drohnen, Minen und Artillerie überlebt haben. Für den Wehrpflichtigen mit kurzer Ausbildung, der nach einigen Jahren im zivilen Leben wieder eingezogen wird, ist der Tod die bittere Perspektive. Die Kämpfer in der Ukraine wissen das. Ein russischer Kommandeur begrüßte seine neuen Männer mit den Worten, ihnen sollte bewusst sein, dass niemand von ihnen den Krieg überleben werde. Das Einzige, was von ihnen bleiben werde, sei das ewige Andenken des Mutterlandes – so sein Trost.

Wehrpflicht bedeutet immer auch brutalen Zwang

Der Ukrainekrieg lehrt noch mehr. Berufssoldaten verklären die Wehrpflicht gern mit Bildern von überzeugten jungen Männern, die beseelt zur Fahne eilen. Dabei war und ist die Wehrpflicht immer als Zwang gedacht. Wer nicht wollte, wurde verfolgt und bestraft. Diese nackte Gewalt gegenüber den Unwilligen war stets mit der Wehrpflicht verbunden und keineswegs nur in der Nazi-Diktatur. Heute wollen auch nicht alle Ukrainer für ihre Regierung kämpfen. 

Über 600.000 Wehrflüchtige sollen sich offiziell in der EU aufhalten, dazu kommen die, die in Drittländern von der Türkei bis nach Thailand untergekommen sind. Und jene, die bei Putin Unterschlupf gesucht haben. Wie ernst es den Leuten ist, zeigen die Leichen, der bei der Flucht Ertrunkenen. Dazu die Fälle von Selbstverstümmlung oder der Trend, mittelprächtige Straftaten zu begehen, sich erwischen zu lassen und den Krieg im Knast abzuwarten.

Die Reichen können – aber sie müssen nicht 

Dieser Krieg zeigt auch: Nicht jeder muss kämpfen. Wer Geld und Beziehungen hat, kauft sich frei. Etwa durch ein Attest, das dann die risikolose Ausreise ins Ausland ermöglicht. Die Kinder der Oberschicht sind ohnehin nicht zu greifen. Sie haben den richtigen – eben nicht nur den ukrainischen – Pass. Damit studieren sie legal im Ausland. Vielleicht sind die Verhältnisse in Kiew korrupter als hierzulande, aber auch in Deutschland wird es der Elite gelingen, ihren Nachwuchs vom Schützengraben fernzuhalten. Vor allem dann, wenn die Überlebenschancen dort gegen Null gehen.

Wehrpflicht hat nichts mit Demokratie zu tun

Die Wehrpflicht ist das legitime Kind der Demokratie, wird gern gesagt. Dabei stützten sich im 19. Jahrhundert alle größeren Kriege auf die Wehrpflicht, ob die Länder nun eine gewählte Regierung hatten oder ob sie von Diktatoren oder Monarchen autokratisch regiert wurden. Wenn man die Aufgebote der freien Bauern in der Antike und dem Mittelalter beiseite lässt, gründet die moderne Wehrpflicht auf der Französischen Revolution. 

Ein großer Schritt für die Menschheit, mit einer sehr blutigen und wenig demokratischen Kehrseite. Es dauerte nur wenige Jahre, bis die Wehrpflicht den größenwahnsinnigen Ambitionen Napoleons dienstbar gemacht wurde. Sie  führte ihm ganz legal das Menschenmaterial für seine Kriege gegen das restliche Europa zu. Solange, bis ganze Jahrgänge junger Männer in Frankreich praktisch ausgerottet waren. 

Ende eines Wehrdienstes

Wie die hohe Ehre, der Nation zu dienen, konkret aussah, zeigt der Tod von Antoine Fauveau. Der junge Mann war ein Hirte oder Senn. Nach einer Mini-Ausbildung von sieben Tagen warf ihn sein Empereur in die Schlacht von Waterloo – dem verzweifelten Versuch des abgewrackten Napoleons, Europa erneut unter seine Knute zu bringen. Antoine gab sein Bestes, sein junges Leben, er durchbrach die Linien der Briten, bis ihn eine Kanonenkugel traf. Überlebt hat sein Harnisch, seine Leiche wurde wie die all der anderen Unglücklichen gewinnbringend zu Dünger verarbeitet.