Allgäu Wenn's im Käse pupst

"Krömahöh" heißt die Erlebnislandschaft im Allgäu, wo Kinder und Eltern beim Bauern, Schreiner und Gastwirt viel lernen und eine Menge Spaß haben können.

Wisst ihr denn, wie die Löcher in den Käse kommen?", fragt der Mann mit Schlapphut und Holzfällerhemd in die Runde. Die Kinder sehen ihn fragend an. Auch die Eltern wissen keine Antwort. Der Schlapphutmann nimmt einen Laib Emmentaler aus dem Regal. "Die Bakterien", sagt er, "die dem Käse seinen Geschmack verleihen, die geben bei ihrer Arbeit Gase ab - kommt euch das irgendwie bekannt vor?" Ein kleiner Junge dreht verschämt den Kopf weg. "Genau", sagt der Mann, "die Bakterien sitzen im Käse - und pupsen!"

Nein, wir sind nicht bei der "Sendung mit der Maus". Wir sind auf der "Krömahöh", einer Naturerlebnislandschaft im Allgäu, mit Bauernhof, Spielscheune, Streichelzoo, Kräuter- und Gemüsegarten, Schreinerwerkstatt und Käserei. Zweimal pro Woche führt Jörg Wieland Gruppen über das 20 Hektar große Gelände im Dorf Tiefenbach bei Sonthofen. Zeigt, wie aus Milch Käse wird. Erklärt, dass man bei einer Schneckenplage besser einen Igel aussetzt als Gift zu spritzen. Demonstriert den Besuchern eine "biologische Gartenfräse", indem er zusammen mit den kreischenden Kindern eine Horde Wollschweine über den Acker treibt und ihn so auf natürliche Weise umpflügen lässt. Bei seiner Arbeit als Finanzberater in Augsburg müsse er Anzug und Krawatte tragen, erzählt der 38-Jährige. "Dann habe ich von der Krömahöh gehört und verbringe jetzt hier die Freizeit."

Ist ja auch fesselnd, dieses Projekt mit dem komischen Namen. "Krö" steht für Krötz, Bernhard, Bio-Landwirt und Dickschädel, dem das Wirtschaften im Einklang mit der Natur alles ist; "ma" für Martin, Dietmar, Traditionsschreiner, der nichts gegen Ikea hat, aber zeigen will, "dass es noch was anderes gibt"; und "höh" für "Höhenwirt". So heißt das Berghotel oberhalb der Erlebnislandschaft, betrieben von zwei jungen Allgäuern mit Heimatliebe und Unternehmergeist: Thomas Angerer und Lars Menzel.

Es war vor zwei Jahren, als die Idee entstand, sich zusammenzutun. Aus Not und aus Überzeugung. Die Männer hatten es satt, Tür an Tür zu wohnen und dennoch einzeln vor sich hinzuwurschteln. Als Hotelier jede Saison zu bangen, ob genügend Gäste kommen. Als Bauer mitanzusehen, dass viele Höfe in der Region nur überleben, weil sie jedes Jahr ein Stück Land für Bauplätze hergeben. Und es sollte ein Protest sein gegen den Subventionsunsinn in der EU.

Mit dieser Unzufriedenheit im Bauch und 100 000 Euro Investitionskapital gelang den vier Männern auf einem kleinen idyllischen Hügel am Wegesrand ein ziemlich großer Wurf. Denn die Krömahöh soll gleich dreierlei sein: eine friedliche, wohl auch niedliche Gegendemonstration zur Globalisierung. Man produziert nur so viel, wie vor Ort und auf Wochenmärkten in der Umgebung verkauft werden kann - und will den Beweis antreten, dass auch ein Überleben ganz ohne Subventionen möglich ist. Zweitens versteht man sich als eine Art Freilandmuseum, wo mit der Hand gearbeitet wird wie früher. Der Bauer ohne Fütterungsautomat, der Tischler ohne Computer-Fräse. Aber am wichtigsten ist der dritte, der touristische Aspekt: Die Krömahöh ist ein Ausflugs-ziel für Familien, das ganze Jahr geöffnet, Eintritt frei. Ein guter Grund also, auf der B 308 nicht vorbeizusausen am Schild Tiefenbach, sondern abzubiegen und den Berg raufzukurven. "Wenn ich sehe, was hier im Vergleich zu früher los ist", sagt Bauer Krötz, "dann hat die Sache wirklich was gebracht."

Täglich tummeln sich etwa 400 Besucher auf dem Gelände. Die Kinder schnappen sich Kettcars und liefern sich wilde Rennen. Oder sie stürmen die Scheune, wo sie vom Heuboden ins weiche Stroh springen können. Nebenan warten die Ziegen, da kitzelt es so schön, wenn man beim Füttern die Handfläche geleckt bekommt. Oder man schaut auf eine Streicheleinheit bei Max und Moritz vorbei, den flauschigen Kaninchen. Ganz und gar beschäftigt sind die Kleinen und möchten nicht mehr weg, wie der vierjährige Tobias, der mit seinen Eltern aus dem Saarland gekommen ist. "Wir haben hier viele Ausflüge gemacht", erzählt die Mutter. "Doch selbst in Neuschwanstein hat der Junge gequengelt: Mama, wann darf ich wieder auf die Krömahöh?"

Gratis-Spätzle fürs Kind

Anreise
Die Krömahöh erreicht man von Sonthofen aus über die B 308 Richtung Bad Hindelang. Nach 1,5 Kilometern links Richtung Tiefenbach abbiegen und den Berg hinauffahren. Die Erlebnislandschaft liegt auf der rechten Seite direkt hinter dem Ortseingangsschild. Telefonvorwahl: 08321/

Unterkunft


Berghotel "Höhenwirt",

Tiefenbach 12 a in 87527 Sonthofen, Tel.: 67 30 10, Fax: 673 01 44, www.hoe henwirt.de. Der zur Krömahöh gehörende "Höhenwirt" liegt wenige Minuten Fußweg oberhalb der Erlebnislandschaft. 9 Doppelzimmer und 11 Ferienwohnungen. Regionale Spezialitäten wie Kässpatzen oder Allgäuer Krütkrapfe, in Nudelteig gerolltes Sauerkraut an Specksauce. Kinder bis vier Jahre bekommen Spätzle mit Sauce oder Pommes mit Ketchup kostenlos. DZ/F ab 58 Euro.

Betriebe


Käserei, Hofladen:

Bernhard und Jutta Krötz, Tiefenbach 19, Tel.: 262 09. Im Hofladen von Landwirt Krötz verkauft seine Frau Jutta Milchprodukte von glücklichen Kühen, Wurst aus eigener Schlachtung und Gemüse aus dem Krömahöh-Garten. Wurst- und Käseplatten werden auch im kleinen Biergarten vor der Tür serviert - oder man bringt seine eigene Brotzeit mit.

Schreinerei:

Schreinermeister Dietmar Martin, Tiefenbach 19 in 87527 Sonthofen, Tel.: 788 90 92, www.allgaeuschreiner.de. Martin fertigt nicht nur individuelle Möbel; er gibt auch Seminare zum Thema Mond- und Zeichenholz sowie Kurse, in denen man zum Beispiel an zwei Abenden seinen eigenen Rennrodel oder Hörnerschlitten bauen kann.

Führungen


Die Krömahöh kompakt:

Spannend, witzig und informativ sind Jörg Wielands etwa zweistündige Führungen über das gesamte Gelände. Mittwoch und Samstag 14.30 Uhr. Erwachsene 9 Euro, Kinder 3 Euro.

Kräuterführungen:

Wie man Pesto von der Vogelmiere macht oder Schnittwunden mit Blättern vom Spitzwegerich heilt - die Gesundheitsberaterin Carmen Mayr weiß Bescheid. März bis Oktober, jeweils zweimal im Monat.

Auskunft


Naturerlebnislandschaft Krömahöh,

Tiefenbach 19 in 87527 Sonthofen, Info (läuft über Berghotel "Höhenwirt") Tel.: 67 30 10, Fax: 673 01 44, www.kroemahoeh.de. Infos zu weiteren Sehenswürdigkeiten und Ausflugszielen in Sonthofen und Umgebung unter www.alpenstadt-sonthofen.de und www.alpsee-gruenten.de

Die Erwachsenen können im kleinen Biergarten eine Brotzeit nehmen, bis die Kinder sich ausgetobt haben. Doch die wenigsten bleiben da sitzen. Denn es liegt ja alles auf einem Fleck. Also rein in den Hofladen, die Käsesorten probieren, alle nach alter Tradition im Kupferkessel gemacht, was einen leicht nussigen Geschmack ergibt. Nach der Anmeldung dürfen Gäste auch mithelfen beim Käsen. Neulich sei eine Gruppe von der Telekom da gewesen, erzählt Thomas Angerer. "Die haben wir erst mal auf die Wiese geschickt, zum Mähen. Danach in den Stall, zum Melken der Kühe. Und am nächsten Morgen um fünf ging's an den Käse. Als der fertig war, haben wir sie gefragt, was er jetzt kosten müsste, nach der ganzen Plackerei. Heraus kamen 48 Euro für 500 Gramm. So merken die Leute mal, welchen Wert ein gutes, von Hand produziertes Lebensmittel eigentlich hat."

Wertarbeit ist auch die Sache von Schreiner Dietmar Martin, der in seiner Werkstatt nebenan individuelle Möbel fertigt, von der Designer-Bank über den Allgäuer Bauernschrank bis zur kompletten Küche. Früher habe er Masse gemacht, erzählt der 33-Jährige, Fenster und Türen. Es war ein alter Schreiner, der ihn auf das Mondholz brachte. "Das sind heimische Fichten, auf 1000 Meter Höhe nordseitig gefällt, im Februar, an zwei bestimmten Tagen bei abnehmendem Mond." Mondholz, so ein überlieferter Volksglaube, soll sehr hart, rissfrei und unempfindlich sein.

Der Mann mit den bubenhaft lachenden Augen ist kein Missionar, aber wer neugierig geworden ist, erfährt mehr. Beim Rennrodel-Bastelkurs zum Beispiel, wo Eltern und Kinder nach zwei Abenden mit einem selbst gebauten Schlitten nach Hause gehen - und einer guten Portion Respekt vor dem Naturprodukt Holz.

Völlig unaufdringlich ist das Lernen auf der Krömahöh, aber entgehen kann man ihm nicht. Wer vor der Kräuterspirale steht, fragt sich sofort: Was soll das? Ein dicht bepflanztes, schneckenhausförmiges Beet, umschlossen von kleinen Steinmauern, die sich kreisförmig nach oben winden. Carmen Mayr kann das erklären. Die 40-jährige Gesundheitsberaterin aus Füssen ist die Kräuterexpertin. Die Spirale vereinige Klimazonen, und jede Pflanze habe ihren perfekten Platz: oben mediterrane Kräuter wie Thymian und Salbei, die Sonne und Trockenheit brauchen; unten Gewächse, die es schattiger und feuchter mögen, wie Schnittlauch und Petersilie. "Wir gießen nicht", sagt Carmen. "Im Zusammenspiel mit den Steinen, die Wärme speichern und Feuchtigkeit halten, ergänzt sich alles und gedeiht von selbst."

Permakultur nennt sich die Lehre, die dahintersteckt. Eine Kreislaufwirtschaft, der sich alle auf der Krömahöh verschrieben haben. Die drei Grundprinzipien nennt Schlapphutmann Wieland bei seinen Rundgängen. Erstens: den richtigen Standort für eine Sache wählen. Zweitens: vermeintliche Schwächen in Stärken verwandeln. Drittens: Gemeinschaft nutzen. "Nach diesen Prinzipien zu leben würde auch uns Menschen sicher nicht schaden."

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Uwe Rasche

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