Die gute Nachricht zuerst. Die meisten Flüge von Air Berlin finden statt und sind mehr oder weniger pünktlich. Doch für einen ungewöhnlich hohen Anteil der Passagiere kommt es zu massiven Problemen: Flugstreichungen, Verspätungen und stundenlanges Warten aufs Gepäck am Flughafen Berlin-Tegel. Diese "Unannehmlichkeiten" sind unter anderem auf Umstrukturierungen und auf den Wechsel zum Bodendienstleister Aeroground in Berlin zurückzuführen.
Im Gegensatz zur Ankündigung vor Pfingsten, dass die Fluggesellschaft für die Reisewelle gut gerüstet sei, fielen allein am vergangenen Wochenende mindestens 19 Flüge aus. Das Chaos war so groß, dass sich Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann im Nachhinein entschuldigen musste: "Mir tun die Verspätungen leid", sagt er in der Wochenzeitung "Der Zeit". "Ich selbst ärgere mich schon schwarz über zehn Minuten Verspätung."
Wie verzweifelt die Kunden inzwischen über den Service der Airline sind, zeigen die E-Mails, die die Reiseredaktion des stern jeden Tag erreichen. Die Leidtragenden wenden sich nicht mehr an das Callcenter, was telefonisch kaum zu erreichen ist, sondern machen ihrem Ärger in der Presse Luft. Allen Schreiben liegt ein ähnliches Muster zugrunde: Umbuchungen und Stornierungen ohne Alternativen - auf dem Rücken der Kunden.
Das Service Center kapituliert
Da die Airline ihren Flugplan ausdünnt und nicht genügend Flugzeuge und Crews zur Verfügung stehen, werden Flüge storniert und die Kunden per E-Mail informiert. "Lieber Fluggast, leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihr Flug AB6297 von Hamburg nach München am 02 Jun um 08:00 Uhr gestrichen worden ist", wurde Swantje F. nur 24 Stunden vor ihrem Abflug in Kenntnis gesetzt. Doch anstatt sie auf einen anderen Flug oder auf eine andere Airline umzubuchen, heißt es lapidar: "Sie können sich gerne für weitere Informationen und Umbuchungsoptionen mit dem Air Berlin Service Center" in Verbindung setzten.
Doch "alle meine Versuche, über die Hotline durchzukommen, schlugen fehl", sagt die Kundin dem stern. "Auf meine Beschwerde-E-Mail kam die Bitte um Geduld wegen des großen Arbeitsaufwandes." Die Reaktion gipfelt in dem Satz von Air Berlin: "Bitte unternehmen Sie keine weiteren Versuche, uns zu kontaktieren." Das Beste an dem Satz: Die Bankrotterklärung des Service Centers ist wenigstens ehrlich.
Schnell mal Ferienpläne verschieben
Für zwei andere Leser, die für ihren Sommerurlaub in Kroatien Flüge von Tegel nach Dubrovnik gebuchten hatten, begann das Anschreiben immerhin mit einer längeren Vorwarnzeit: "Sehr geehrter Fluggast, aus bislang nicht vorhersehbaren Gründen war es leider erforderlich, die Durchführung des Fluges teilweise zu ändern." Im Klartext: Statt Hinflug am 30. Juni wurde ihr Urlaubsflug auf den 4. Juli nach hinten verschoben, ebenso der Rückflug um vier Tage.
Das Dumme: Jana W. und Philipp F. haben wie Tausende von anderen Passagieren ihren Urlaub bereits eingereicht und die Unterkunft vor Ort fest gebucht. Immerhin erreicht Philipp F. nach langer Zeit in der Warteschleife das Callcenter und beschwerte sich über die "nicht hinnehmbare Flugverschiebung". Er entschließt sich zur Stornierung der Tickets in Höhe von 323 Euro.
Die Ironie der Geschichte: Den Flug hatte er bei Air Berlin nur gebucht, weil er einen Gutschein über 285 Euro erhalten hatte, den es als Entschädigung für einen extrem verspäteten Mallorca-Flug mit Air Berlin gab.
Tage später entdeckt er auf seinem Konto die Überweisung nur eines Bruchteils des Betrags. "Dass sie mir dann am Telefon das ganze Geld versprechen und dann nur 38 Euro zurücküberweisen, ohne Hinweis, was denn nun mit meinem ursprünglichen Fluggutschein ist, ist genauso frech", sagt Philipp F. auf Nachfrage.
Bei Air Berlin weiß die linke Hand nicht, was die rechte macht
Air Berlin begründet die "Unannehmlichkeiten" für die Passagiere unter anderem mit internen Umstrukturierungen. Ein Teil der Verwaltung sei von Düsseldorf nach Berlin verlegt worden. Wird nun alles unter einem Dach abgewickelt? Mitnichten. Denn die interne Kommunikation der Abteilungen untereinander gibt Rätsel auf. Man schiebt sich den schwarzen Peter gegenseitig zu - anstatt den Kunden mit Alternativen zu helfen.
Swantje F., die ihren Flug nach München wegen der Stornierung gar nicht antreten konnte, fand jetzt auf ihrem Smartphone eine weitere E-Mail: "Vielen Dank, dass Sie auf Ihrem Flug nach Hamburg unser Gast waren. Wir würden uns freuen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen. Buchen Sie bis 19.06.2017. Ihren nächsten Air Berlin Flug und sparen Sie bis zu 10 Euro pro Person."
Das war zu viel des Guten. In eine Maschine von Air Berlin wird sie nie wieder einsteigen.
