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Neues Sicherheitskonzept der Bahn Mehr Personal, aber nicht mehr Sicherheit

Die Vorfälle von Gewalt in Zügen und auf Bahnsteigen häufen sich in den vergangenen Monaten. Die Deutsche Bahn kündigt jetzt ein neues Sicherheitskonzept an. Schaut man allerdings auf die harten Fakten, wirkt die Aktion hilflos.
Von Swantje Dake

Pöbeleien im Regionalexpress, Schlägereien an der Bahnsteigkante - jeden Tag werden bei der Deutschen Bahn rund 30 Fälle von Körperverletzung und Pöbeleien registriert. Auf das Jahr gerechnet, sind es immerhin 10.000 Delikte. Rechnet man Straftaten wie Sachbeschädigungen und Schwarzfahren hinzu sind es jährlich 87.000 Fälle.

Die Deutsche Bahn kündigte jetzt ein neues Sicherheitskonzept an. Zehn Prozent mehr Sicherheitspersonal soll in den Ballungsräumen künftig eingesetzt werden. Die nackten Zahlen sind umso ernüchternder: 150 Sicherheitskräfte werden deutschlandweit verteilt, vor allem in Berlin, Hamburg, Leipzig, München, Frankfurt/Main, Duisburg, Dortmund und Düsseldorf. Darüber hinaus sollen zusätzliche Mitarbeiter bei Großveranstaltungen eingesetzt werden, und die 11.000 Service-Mitarbeiter, Kundenbetreuer und Zugbegleiter gehen in Sicherheitstrainings. Aber nicht alle auf einmal: In diesem Jahr werden 3000 geschult.

Bessere Kameras an den Bahnsteigen

Und weil das menschliche Auge nicht überall sein kann, sollen die 6500 Überwachungskameras in Zügen und Bahnhöfen verbessert werden, um detailliertere Aufnahmen zu liefern. Neue Software soll demnach helfen, verdächtige Gegenstände und auffällige Personenbewegungen leichter auf den Überwachungsmonitoren zu erkennen.

Ist Bahnfahren - egal ob S- oder U-Bahn oder Fernverkehr - demnach gefährlich? Man erinnert sich an Dominik Brunner, der von zwei Jugendlichen auf einem Münchner S-Bahnhof zu Tode getreten wurde. Man erinnert sich an zwei Jugendliche, die im Dezember 2007 einen 76-Jährigen in der Münchner U-Bahn zusammenschlugen. Aber auch an die alltägliche Pöbeleien, die man auf dem Weg zur Arbeit hört oder selbst abbekommt.

Keineswegs sei Bahnfahren gefährlich, betont Vorstandsmitglied Gerd Becht bei der Vorstellung des Sicherheitskonzepts. "Die Polizeistatistiken belegen, dass es um ein Vielfaches wahrscheinlicher ist, an anderen Orten des öffentlichen Raums Opfer einer Straftat zu werden, als bei der Bahn", so Becht. Laut Bundespolizei wird pro 100.000 Kunden bei der Deutschen Bahn ein Delikt verzeichnet. Die Polizeikriminalitätsstatistik weist in den Großräumen Deutschlands pro 100.000 Einwohner rund 7500 Straftaten mit 1500 Rohheitsdelikten aus.

Das groß angekündigte Sicherheitskonzept kommt sicherlich nicht grundlos, aber ohne konkreten Anlass - und es wirkt hilflos. 3350 sind derzeit bei der Deutschen Bahn angestellt, 150 mehr sollen es werden. Sie sollen - neben den 5000 Beamten der Bundespolizei - in mehr als 27.000 Zügen, die täglich durch Deutschland rollen und auf 5400 Bahnhöfen in der Republik für Sicherheit und ein gutes Gefühl bei den Reisenden sorgen. Schon auf den ersten Blick eine schwere Aufgabe, denn die Diskrepanz zwischen Orten, an denen für Sicherheit gesorgt werden sollte und Orte, an denen die Sicherheitskräfte sein können, ist offensichtlich. Und: Bei der Bundespolizei sieht der Rechnungshof gravierenden Personalmangel, viele Reviere seien unterbesetzt.

Über ein Alkoholverbot, über das im vergangenen Herbst diskutiert wurde, wurde im Rahmen des neuen Sicherheitskonzepts nicht erwähnt. Während bei der Eisenbahngesellschaft Metronom der Alkoholkonsum seit einigen Monaten strikt verboten ist, prüft die Deutsche Bahn weiterhin.

Pro Bahn fordert weitere Maßnahmen

Gewerkschaften und der Fahrgastverband Pro Bahn bewerteten die Pläne der Bahn positiv . Die Gewerkschaften Transnet und GDBA unterstützen die angekündigten neuen Sicherheitspläne der Deutschen Bahn. In einer gemeinsamen Mitteilung werteten GDBA-Vize Peter Troege und Transnet-Vorstand Martin Burkert die Pläne als ersten richtigen Schritt.

"Das ist eine ganz wichtige Sache, die sowohl das Personal als auch die Reisenden angeht", sagte der Bundesvorsitzende von Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. Sicherheit sei nicht nur objektiv messbar, sondern eine subjektive Empfindung. "Gerade am Abend fühlen sich viele Reisende unwohl, daher ist der Einsatz von mehr Personal vernünftig", so Naumann zu stern.de. "Es ist allerdings nur ein erster Schritt und man könnte mehr machen."

Dabei denkt Naumann nicht zwangsläufig an mehr Personal, sondern vielmehr an die Gestaltung der Bahnhöfe. "Dunkle Ecken und Tunnel müssten umgestaltet werden, kurzfristiger können Kioske, Bistros und kleine Läden jeden Bahnhof beleben", so Naumann. Ein Beispiel aus der Schweiz zeige, dass dies selbst an kleinen Stationen funktioniere. Dort gibt es in den "Avec-Shops" Fahrtkarten und Lebensmittel - zu Supermarktpreisen. "Diese kleinen Läden sind Anlaufstellen auch für Nicht-Bahnfahrer. Es funktioniert seit Jahren."

Mit APN/AFP/DPA DPA

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