Deutsche Nationalelf Es gibt doch noch Kleine

Ein Punktverlust wäre unverzeihlich: Gegen Aserbaidschan muss das Team von Bundestrainer Löw am Mittwoch einfach nur gewinnen. Der Fall Frings und die T-Frage werden danach wieder spannend. Von Wigbert Löer, Baku

Man hat ihn oft gehört, diesen Satz, nicht nur von seinem Urheber, dem damaligen Teamchef Rudi Völler: Es gibt keine Kleinen mehr. Gemeint ist, dass Weltmächte auch von Zwergen geschlagen werden können, dass die Fußballnationen in ihrer Leistung zusammengerückt sind. Vor dem WM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft am Mittwoch in Baku (18 Uhr, live-Ticker auf stern.de), soviel ist mal klar, gilt das Gegenteil: Es gibt Kleine! Und Aserbaidschan ist so einer.

Außer der Hauptstadt selbst, einer Vier-Millionen-Metropole, die derzeit einen Bauboom erlebt wie ansonsten allenfalls noch Dubai, ist alles recht winzig an diesem Gegner: Die Geschichte - die Elf der früheren Sowjet-Republik existiert erst seit 17 Jahren.

Der Anspruch - gegen Deutschland möchte die Mannschaft nur nicht allzu hoch verlieren.

Das Potenzial - manche Nationalspieler kommen in ihren Vereinen seltener zum Einsatz als Lukas Podolski in seinen Jahren beim FC Bayern.

Sogar der Trainer ist klein: Berti Vogts, seit mehr als einem Jahr selbsternannter Fußballmissionar am Kaspischen Meer, misst 1,68 Meter.

Noch nicht einmal klein ist die Torausbeute, die Vogts Aserbaidschaner in der bisherigen WM-Qualifikation erzielt haben: In fünf Spielen gelang der Mannschaft kein Treffer.

Aserbaidschan ist ein schlechter Gegner

In der Abwehr aber stehen sie recht sicher, darauf verweisen Spieler und Funktionäre beim Deutschen Fußball-Bund umso emsiger, Bundestrainer Löw und Manager Oliver Bierhoff, Kapitän Michael Ballack und Abwehrchef Per Mertesacker. Das Motto: bloß nicht klein reden. Irgendetwas Gutes bietet ja jeder Gegner.

Doch natürlich wissen sie alle, dass Aserbaidschan nichts anderes als ein schlechter Gegner, ein Sieg daher vor allem eine Sache der Motivation ist. Schwierig wird es im Oktober in Russland und zu Hause gegen Finnland, dann entscheidet sich, ob sich das Team von Joachim Löw als Gruppen-Erster direkt für die Weltmeisterschaft in Südafrika qualifiziert. Oder ob - als Zweiter - Entscheidungsspiele drohen.

Ballack bleibt diplomatisch

Ob Torsten Frings, den alle für verdient, manche aber inzwischen für in Spiel und Bewegung zu langsam halten, dann auf dem Platz steht, ist vor dem Spiel gegen Aserbaidschan fraglich. Löw hat den Bremer diesmal nicht eingeladen, was Frings selbst erzürnte und ihn nicht mehr so kleinlaut wie zuletzt über sich und die Nationalelf reden ließ. Michael Ballack sagte in Baku, er habe seinen Kollegen angerufen. "Er war enttäuscht, nicht dabei zu sein."

Der Kapitän blieb diplomatisch, wobei man sich fast sicher sein darf, dass die beiden von Handy zu Handy ordentlich geschimpft haben über die Art und Weise, wie der Bundestrainer mit verdienten Spielern umgeht. Es nicht allzu lange her, dass Löw Frings bedeutete, er müsse auch mal auf der Bank sitzen. Nun sagte er, dass einer wie Frings spielen müsse, wenn er schon mitfahre. Und ließ ihn zu Hause. "Torsten muss sich jetzt mit einem 20-Minuten-Gespräch auch mal zufrieden geben", befand gestern im Mannschaftshotel in Baku Oliver Bierhoff. Dass Frings das erstens nicht muss und zweitens kaum tun wird und er selbst in dieser Sache nicht das letzte Wort hat, dürfte Bierhoff allerdings klar sein.

T-Frage ohne Brisanz

Von den beiden Torhütern, die nicht mitfliegen durften, geht unterdessen nicht die Gefahr disharmonischer Töne aus, welche Bierhoff und Löw so gar nicht schätzen und am liebsten für immer ausgemerzt wüssten. Rene Adler und Manuel Neuer melden öffentlich keine Ansprüche an. Diesmal bevorzugt Löw Robert Enke (steht in Baku im Tor) und Tim Wiese. Die T-Frage bleibt unbrisant.

Weil Lukas Podolski verletzt absagte, Miroslav Klose nach einer Knochenentzündung wohl wieder fit ist, birgt auch die Besetzung der Spitze keine kritischen Diskussionen. Neben Klose wird Mario Gomez stürmen, der auch in der neuen Saison wieder als Angreifer mit Höchst-Potenzial gilt. Gomez, der vergangenes Jahr noch sagte, er wolle vom VfB Stuttgart direkt ins Ausland gehen und dass das Wechseln erst im Herbst der Karriere "so ein deutschen Phänomen" sei, spielt nun erstmal beim FC Bayern. Löw hält das für einen "logischen Schritt".

Einen Kleinen klein halten

Zum Einsatz dürften auf den Außenbahnen auch Pjotr Trochowski und Bastian Schweinsteiger kommen, ebenfalls zwei Spieler, die mit ausländischen Klubs in Verbindung gebracht wurden und dann doch in Deutschland blieben, in der Mitte neben Ballack Thomas Hitzelsperger, als Außenverteidiger Phillip Lahm und der Wolfsburger Marcel Schäfer und als zweiter Innenverteidiger neben Mertesacker der Berlins Arne Friedrich oder Stuttgarts Serdar Tasci.

Sie alle werden versuchen, einen Kleinen klein zu halten und zu verhindern, dass er der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Probleme bereitet. Eben dies ist Aserbaidschan ja einmal schon gelungen. Der Linienrichter Tofiq Bakharov, der während des WM-Finales 1966 einen Schuss der Engländer im deutschen Tor sah und so Vater des Wembley-Tores wurde, steht als Russe in den Geschichtsbüchern des Fußballs verzeichnet. Er kam aus Aserbaidschan.

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