Die Formel 1-Piloten haben den Kampf um die Pole Position beim Großen Preis von Europa auf dem Nürburgring noch vor sich. Für die Journalisten hat er dagegen bereits begonnen. Das freie Training ist gerade vorbei. Umringt von den professionellen Fragestellern aus aller Welt steht Fernando Alonso vor dem McLaren-Mercedes-Motorhome in der Fahrergasse. Mikrofone, Kameras und Diktiergeräte strecken sich dem zweifachen Weltmeister aus Spanien entgegen, der hinter dem Pulk von Medienvertretern kaum noch zu sehen ist. Ist er zufrieden mit seiner Zeit? Was erwartet er für das Rennen? Wird er seinen WM-Titel verteidigen können?
Das Frage-und-Antwort-Spiel ist in vollem Gange. Und wird mit harten Bandagen geführt. "Das machst Du nicht noch einmal", zischt ein Kameramann einen Fotografen an, der ihn erst angerempelt hat und anschließend vor die Linse gelaufen ist. Nur wer seinen Ellenbogen geschickt einzusetzen weiß, hat eine Chance, seine Frage loszuwerden, den gewünschten O-Ton oder das passende Bild zu bekommen.
Mit Hochdruck in der Boxengasse
Der 25-jährige amtierende Champion erträgt das wilde Treiben vor ihm mit stoischer Gelassenheit und lacht. Ebenso wie einige Meter weiter sein englischer Teamkamerad und schärfster Konkurrent, Lewis Hamilton. Während das führende Duo in der WM-Wertung seinen Medien-Marathon absolviert, halten sich die Verfolger von Ferrari, Kimi Räikkönen und Felipe Massa, noch im Hintergrund. Es gilt die Gründe zu analysieren, warum Hamiltons Silberpfeil den Roten zuvor im freien Training ein paar hundertstel Sekunden voraus waren. Um den Rückstand im Rennen aufzuholen, arbeiten die Ingenieure der Scuderia mit Hochdruck in der Boxengasse.
Die beiden Ferraris des Finnen und Brasilianers sind aufgebockt, die Verkleidung abgenommen. Räikkönens Fahrersitz hängt auf einem Gestell. Er ist der Körperform des 27-Jährigen exakt angepasst. Einige Meter dahinter beugen sich Mechaniker in der Werkstatt über die rund 550 Kilo schwere Rennmaschine und stecken die Köpfe zusammen. Hier drehen sie an einer Schraube, da justieren sie ein Rädchen nach.
Sie setzen das um, was die Fahrer und die Teamleitung noch zu bemängeln hatten. Es ist die letzte Chance, noch etwas an dem Wagen zu verändern. Nach dem Qualifikationslauf ist es zu spät. Es geht um Chancengleichheit für alle Rennställe. Genauso wie beim Tanken. Vor der Ferrari-Box steht die Zapfsäule, die von der Fédération Internationale de l'Automobile (FIA) geliefert wird. Das Benzin wird beim Boxenstopp mit exakt der gleichen Geschwindigkeit in alle Wagen gepumpt: zwölf Liter pro Sekunde.
Räikkönen hat keine Angst vor Schumi
Aber nicht nur von der Mechanik in den Wagen und dem richtigen Treibstoff hängt der Erfolg ab. Auch von den Reifen. Ein Ferrari-Mitarbeiter schichtet immer vier Stück auf eine Karre. Insgesamt 14 Sätze für jeden Fahrer stapeln sich im Boxengang. Dahinter parken vier riesige Trucks. "Scuderia Ferrari" steht dort in schwarzen Buchstaben auf rotem Untergrund. Rechts und links daneben reihen sich die Fahrzeuge der andere Teams. Ausdruck eines riesigen logistischen Aufwands. Alleine die Italiener sind mit insgesamt 90 Mitarbeitern in die Eifel gereist. Außer den Fahrern, Teamleitern und Mechanikern gehören ebenfalls PR-Leute und Küchenpersonal dazu. Das ist Standard bei den Grand-Prixs in Europa.
Als die anderen Rennfahrer schon lange mit ihren Interviews fertig sind, tauchen schließlich auch die beiden Ferrari-Fahrer auf. Aus ihrem Container mit den schwarz getönten Scheiben, die keinen Blick ins Innere zulassen, gehen sie nach nebenan ins zweistöckige Medienzentrum der Scuderia. Der eine, Felipe Massa, lachend und zu Scherzen aufgelegt. Der andere, Kimi Räikkönen, macht seinem Ruf als "Iceman" alle Ehre. Der Finne gibt sich einsilbig und selbstbewusst.
Dass Michael Schumacher an der Rennstrecke ist, macht ihm keine Sorgen. Immerhin hat er in dieser Saison noch kein Rennen gewonnen, wenn der siebenfache Weltmeister bei den Roten zu Gast war. Er sei nicht abergläubisch. "Warum soll das wichtig sein?", lautet seine Antwort auf die Frage, ob er seinen angestrebten dritten Sieg in Folge nach Magny-Cours und Silverstone in Gefahr sehe. Doch auch wenn er die Anwesenheit des Deutschen nicht als schlechtes Omen gelten lassen will: Auf der Strecke führt der Erfolg ebenfalls nur über den Kerpener - wenn auch nur indirekt. Vor dem Start des Großen Preises von Europa wird der 38-Jährige nämlich eine Ehrenrunde fahren und damit "seine" Kurve, das "Michael-Schumacher-S", einweihen.