Das Gesetz der Serie lässt nichts Gutes für die Schwaben erwarten. Seid drei Jahren heißt es beim VfB Stuttgart: Hinrunde pfui, Rückrunde hui. Ob ausgerechnet Bruno Labbadia, der bei Leverkusen und Hamburg im zweiten Jahr erfolglos blieb, diese Serie durchbrechen kann, verraten wir im 16. Teil unseres Bundesliga-Checks.
Gute Sommerzeiten
Mit Bruno Labbadia und Fredi Bobic scheint beim VfB Stuttgart Ruhe eingekehrt zu sein. Die beiden ehemaligen Stürmer arbeiten gut zusammen und verzichteten in diesem Jahr auf Sensationstransfers. Für jeden Mannschaftsteil wurde eine namhafte Verstärkung geholt. Der 29-jährige Mexikaner Maza soll die Abwehr verstärken. William Kvist kam aus Kopenhagen und soll im defensiven Mittelfeld die Fäden ziehen, Julian Schieber kehrte aus Nürnberg zurück und verstärkt den Angriff. Um auch in der Breite besser aufgestellt zu sein, ergänzen Ibrahima Traore (FC Augsburg) und die Talente Raphael Holzhauser (18), Patrick Bauer (18) und Ermin Bicakcic (21) den Kader.
"Man muss sich vor Augen halten, wie es vor ein paar Wochen noch aussah. Da steckten wir mitten im Abstiegskampf. Nach so einem Jahr sollte man ein Stück weit demütig sein", rückte Bruno Labbadia die Erwartungshaltung im Club auf zeitonline.de zurecht. Der VfB Stuttgart scheint aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. Nach der Meisterschaft 2006/07 setzte man auf internationale Großeinkäufe. Ciprian Marica (7 Millionen Euro) und Khalid Boulahrouz (5 Millionen Euro) wurden geholt, später (09/10) auch Pavel Pogrebnyak (4,8 Millionen Euro) und Zdravko Kuzmanovic (8 Millionen Euro).
Die teuren Stars konnten die Erwartungen ebenso wenig erfüllen, wie die preiswerteren Fehleinkäufe Jan Simak, Sergiu Radu oder Mauro Camoranesi. "Wir haben junge Spieler in unseren Reihen, und wir werden künftig noch mehr auf die eigene Jugend setzen", lautet die Antwort von Bruno Labbadia auf die Fehler der Vergangenheit. Allerdings fordert er "Geduld" beim Aufbau seines neuen Teams ein. Geduldig ist man im Haifischbecken-Bundesliga bei einem Fehlstart sicherlich nicht und der droht dem VfB, denn...
Schlechte Sommerzeiten
...dem VfB gehen die Innenverteidiger aus. In der Abwehrzentrale hatten sich in der Vorbereitung Georg Niedermeier und Serdar Tasci eingespielt. Nun fehlt der Ex-Bayer Niedermeier beim Bundesligastart nach einer Oberschenkelverletzung (min. zwei Monate Pause). Auch Tasci musste im DFB-Pokal gegen den Drittligisten SV Wehen Wiesbaden passen (Muskelverhärtung). Auf Kapitän Matthieu Delpierre (Muskelabriss) müssen die Schwaben vermutlich die ganze Hinrunde verzichten. Zu allem Überfluss verletzte sich auch noch Abwehrtalent Ermin Bicakcic (Innenbandabriss im Knie) im Pokalspiel. Für das erste Saisonspiel sind die Rekonvaleszenten Julian Schieber, Timo Gebhart und Johan Audel ebenfalls fraglich.
Neben dem Verletzungspech in der Abwehr wurde das Thema Christian Träsch ebenfalls zu einem Ärgernis der Sommerpause. Der VfB musste Träsch letztlich in Richtung Wolfsburg ziehen lassen, um ihn im nächsten Jahr nicht ablösefrei zu verlieren. Nach dem Abgang von Sami Khedira und Jens Lehmann und der hohen Verletzungsanfälligkeit von Kapitän Delpierre hätte Träsch eine wichtige Rolle als Führungsspieler einnehmen können. Ob Cacau, Christian Gentner oder Serdar Tasci in diese Rolle schlüpfen können, bleibt fraglich. Zwar mag es dem Kader an Führungsspielern fehlen, dennoch haben die Stuttgarter taktisch einige Möglichkeiten.
Bruno Labbadia arbeitete mit seinem Team zunächst weiter am Erfolgssystem aus der Rückrunde. Neben dem 4-2-3-1 hat der Trainer aber auch eine Art 4-1-3-2 einstudiert. "Wir wollen variabel sein, auf verschiedene Situationen reagieren können. Das hängt gar nicht so sehr vom Gegner ab, sondern vor allem von unseren Spielern", erklärte Labbadia auf bundesliga.de. Mit Johan Audel, Timo Gebhart, Traoré, Mamadou Bah, Shinji Okazaki und Martin Harnik hat der Trainer einige Optionen für die offensiven Außenpositionen.
Im Sturm kämpfen Cacau, Schieber und Pogrebnyak um die Planstelle. Im defensiven Mittelfeld soll der langjährige Kapitän des FC Kopenhagen den Spielaufbau ordnen. Kvist konnte mit seinem Club im letzten Jahr bis ins Achtelfinale der Champions League vordringen. Neben ihm wird Kuzmanovic oder Christian Gentner spielen. Die Problemzone ist und bleibt die Abwehr.
Cristian Molinaro lieferte mit einer sportal.de-Durchschnittsnote 3 eine tolle Halbserie zum Bundesliga-Einstand ab (Rückrunde 09/10). Doch der Italiener konnte seine Leistung in der Hinrunde der letzten Saison nicht wiederholen, erst in der Rückrunde steigerte er sich (Notenschnitt: 3,9). Noch bedenklicher als auf der linken Abwehrposition sieht es auf der rechten Seite aus. Mit Khalid Boulahrouz und Stefano Celozzi ist der VfB im Bundesligavergleich eher in der unteren Hälfte zu finden. Das Thema Innenverteidiger spielte ja schon eine gewisse Rolle, deshalb...
Wer darf sich nicht verletzen?
...sollte sich möglichst kein weiterer Innenverteidiger auf die Verletztenliste eintragen. Noch einmal nachlegen will der VfB allerdings auch nicht. "Wir werden doch keine Innenverteidiger auf Vorrat holen", wiegelt Labbadia bei diesem Thema im kicker ab. Zum Saisonstart könnte Serdar Tasci wieder fit werden und mit Maza das Innenverteidigerduo bilden. Der Mexikaner lieferte gegen Wehen Wiesbaden eine ordentliche Leistung (sportal.de-Note: 3) ab, eine gewisse Eingewöhnungszeit muss man dem 29-Jährigen, der vom PSV Eindhoven kam, allerdings noch zugestehen.
Die Tore auch beim pinkeln sehen
Die große Leidenszeit ist vorbei. Der VfB Stuttgart hat wieder ein Fußball-Wohnzimmer, in dem man sich wohlfühlen kann. "Zwei Jahre lang ist auf einer Baustelle gespielt worden. Das war eine schwierige Zeit für die Fans, aber auch für die Mannschaft. Man darf das nicht unterschätzen. Das neue Stadion ist ein Quantensprung für den Verein und eine wirklich schmucke Arena", lobt Labbadia auf zeitonline.de das neue Stadion. 60.300 Zuschauer fasst die neue - zu einem reinen Fußballstadion umgebaute - Mercedes-Benz Arena. Vor allem die neue Cannstatter Kurve lässt das Fan-Herz höher schlagen. Die Argumente für die angeblich fanfreundlichste Kurve der Liga sind nicht von der Hand zu weisen.
Stefan Heim, VfB-Stab-Direktor laut pz-news.de: "bei uns wird kein Fan mehr ein Tor verpassen, weil er beim Pinkeln ist. Die Pissoirs in der Cannstatter Kurve haben Scheiben mit Blick auf das Spielfeld." Die neue Arena könnte den Schwaben den einen oder anderen Extra-Punkt bescheren. Allerdings erhöht das Fußballfeinschmeckerumfeld auch die Ansprüche an offensiven, attraktiven Fußball. "Bayer Leverkusen und der HSV haben unter mir teilweise begeisternden Fußball gespielt", weiß Trainer Labbadia laut zeitonline.de ins Feld zu führen. Wir möchten ihm gerne glauben, wenn da nicht die Sache mit dem Gesetz der Serie wäre.
Prognose
Bruno Labbadia hat auf seinen bisherigen Stationen in der Ersten Bundesliga im zweiten Jahr enttäuscht. Wir glauben, dass er diese Negativserie hinter sich lassen kann. Manager Fredi Bobic und der Coach haben den Kader punktuell verstärkt und mussten nur den Abgang von Träsch verschmerzen. Mit Cacau, Harnik, Schieber und Tamás Hajnal hat der VfB durchaus Offensivpotenzial zu bieten. Die Achillesferse ist und bleibt allerdings die Abwehr. So wird dem VfB ein Jahr der Konsolidierung im gesicherten Bundesliga-Mittelfeld nicht erspart bleiben. Die Schwaben landen am Ende auf Platz 8.
Michel Massing