Bayern blamieren sich gegen Bate Borisov Untergang im Hinterhof

Von Klaus Bellstedt
Ende der Siegesserie: Die Bayern haben sich in der Champions League gegen Bate Borisov blamiert. Schwerer als das 1:3 wiegt aber der Ärger von Trainer Jupp Heynckes über Matthias Sammer.

Als die Bayern kurz vor dem Beginn der zweiten Halbzeit beim Champions-League-Spiel in Minsk gegen Bate Borisov den tiefen Rasen wieder betraten, eilte Jupp Heynckes als einer der Ersten über den Platz zurück auf die Trainerbank. Matthias Sammer war nicht in seiner Nähe. Das war wahrscheinlich auch besser so. Denn es gibt neuerdings Ärger zwischen den beiden Männern. Öffentlich wurde der, ausgerechnet, unmittelbar vor der Partie gegen die Nobodies aus Weißrussland. Das passte irgendwie zu dieser total verkorksten Auswärtsfahrt der Bayern, deren Siegesserie nach dem verdienten 1:3 nun gerissen ist. Bis Minsk hatten die Münchner acht Mal in Folge in dieser Saison gewonnen, und damit jedes Pflichtspiel siegreich gestaltet. Jetzt hängt der Haussegen schief. Wegen der verlorenen Champions-League-Partie. Aber vor allem wegen der Zwistigkeit zwischen Heynckes und Sammer.

Was war eigentlich passiert? Der neue Sportdirektor hatte die Münchner Fußball-Profis trotz ihres jüngsten 2:0-Sieges in der Bundesliga bei Werder Bremen scharf kritisiert: "Wir waren nicht richtig hellwach, wir waren nicht richtig gallig. Wir waren zu lätschern." Das waren Sammers Worte. Nun sah Heynckes den richtigen Zeitpunkt gekommen, um darauf zu antworten: "Mit der Form, der Art und Weise war ich nicht einverstanden. Das habe ich ihm auch gesagt", so Heynckes bei "Sky" kurz vor dem Anpfiff in Minsk. Wichtig sei, dass Kritik an der Mannschaft immer konstruktiv, angemessen und nicht übertrieben sei, betonte der Münchner Chefcoach weiter. "Ich finde, dass die Kritik überzogen war. Ich finde auch, wir sollen die Kritik intern machen und nicht extern", legte Heynckes nach. Sammer aber wich keinen Zentimeter von seinen Aussagen zurück. Er verteidigte seinen öffentlichen Rundumschlag, den er mehrmals wiederholt hatte, trotz der Serie von bisher acht gewonnenen Saisonspielen: "Sie wissen ja, wenn ich deutlich werde - da war es ja noch harmlos", entgegnete er.

Erschreckende Schwächen in der Defensive

Matthias Sammer stand schon immer wortreich für seine Positionen ein - für Leidenschaft, Perfektionismus und den Leistungsgedanken. Er lebt das bayrische "Mia san mia" nahezu perfekt vor. Jetzt, nach der überraschenden 1:3-Niederlage gegen Borisov, darf sich der Sportdirektor mit seiner öffentlichen Warnung, keine Genügsamkeit eintreten zu lassen, bestätigt fühlen. Sammer war der einzige Gewinner dieses Abends. Auch wenn er das natürlich nicht hören wollte.

Es war ein schwacher Auftritt der Mannschaft von Jupp Heynckes auf einer für Champions-League-Verhältnisse unwürdigen Bühne. Gerade mal 25.000 Zuschauer wollten die Bayern im heruntergekommenen Dinamo-Stadion von Minsk sehen, der Rasen war holprig und tief. Aber das alles darf keine Erklärung für den Untergang im Hinterhof der Königsklasse sein. Die Münchner hatten zwar Ballbesitz für zwei Spiele und vor allem in der ersten Hälfte auch gute Chancen, aber was fehlte, war die letzte Konsequenz. Oder um es mit den Worten von Matthias Sammer auszudrücken: Es fehlte die Galligkeit. Bate wurde von Minute zu Minute mutiger. Die Weißrussen spürten, dass bei den Bayern die hundertprozentige Konzentration fehlte. Gerade hinten wirkte der deutsche Rekordmeister anfällig. Bei den ersten beiden Gegentoren durch Alexandr Pavlov (23.) und Vitali Rodionov (78.) offenbarte der Bundesliga-Tabellenführer erschreckende Schwächen in Raumaufteilung und Rückwärtsbewegung.

"Ich denke, von der Einstellung her kann man der Mannschaft nichts vorwerfen", sagte ein frustrierter Manuel Neuer im Anschluss an die Partie. Das stimmte schon. Nach dem 0:2 warfen die Bayern alles nach vorn, verkürzten durch Franck Ribéry in der Nachspielzeit auf 1:2, ehe Bates Renan Bressan mit der letzten Aktion des Spiels per Kontertor die Sensation für die Hausherren perfekt machte. "Ich wusste vor dem Spiel schon, im Gegensatz zu vielen anderen, dass wir gegen einen guten Gegner antreten würden. Vor allen Dingen haben sie aufopferungsvoll gekämpft, als wir Druck gemacht haben." Jupp Heynckes wirkte hinterher bei seiner Analyse frustriert. Vor allem der Auftritt seiner Mannschaft in der zweiten Hälfte hatte ihm zugesetzt. Dort fiel den Bayern über weite Strecken gegen die gut organisierten Weißrussen, die die Champions-League-Gruppe F vor Valencia und den Münchner jetzt anführen, nicht mehr viel ein. Das war das Erstaunliche an diesem gebrauchten Bayern-Abend in der Königsklasse.

Wie geht der Machtkampf weiter?

Und auch die Form einzelner Spieler ist bedenklich. An erster Stelle wäre da 40-Millionen-Mann Javi Martínez zu nennen, der nie an seine Leistungen aus den vorangegangenen Spielen anknüpfen konnte. Entnervt wurde der Spanier, der fast nur quer spielte, bereits nach 58. Minuten ausgewechselt. Bastian Schweinsteiger fiel gegen Borisov der Rotation zum Opfer. Der Vize-Kapitän kam erst spät ins Spiel. Ein Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte. Es war keine klare Linie im Spiel der Bayern erkennbar. Dazu schafften es weder Philipp Lahm noch sein Pendant auf der linken Abwehrseite, Holger Badstuber, bei den gefährlichen Kontern von Bate für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Zwei Spieler von denen man das durchaus erwarten darf. Von den beiden Totalausfällen in der Innenverteidigung, Dante und Boateng, mal ganz zu schweigen. Am auffälligsten war neben Franck Ribéry noch Toni Kroos, der allerdings in der 13. Minute völlig freistehend am Pfosten scheiterte. Wer weiß, wie die Partie ausgegangen wäre, wenn Kroos getroffen hätte.

Es war eine verdiente Niederlage, die der FC Bayern gegen Bate Borisov hinnehmen musste. Die Serie ist dahin, und man darf mit Spannung beobachten, wie sich die Mannschaft von dem Rückschlag erholen wird. Eine sportliche Krise wird daraus vermutlich nicht erwachsen, dafür ist die Qualität im gesamten Kader viel zu hoch. Brisanter als die Blamage ist zweifellos die weitere Entwicklung im Streit zwischen Heynckes und Sammer, der in Wahrheit ja ein Machtkampf zwischen den beiden Großkopferten ist - und dessen Folgen für die Bayern (noch) nicht zu überblicken sind.

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