Wenn ein Fußballverein in so kurzer Zeit so viele Trainer verschleißt, dann muss es ihm wahrlich schlecht gehen. Sechs Cheftrainer in sieben Jahren, da denkt man an Abstiegskandidaten und gefallene Traditionsvereine, an Schalke 04 und den HSV zum Beispiel. Aber nein, der schwer gebeutelte Club, der da in dieser Woche Knall auf Fall seinen Chefcoach vor die Tür gesetzt hat, heißt FC Bayern München.
Der FCB, das nur kurz zur Erinnerung, ist dieser süddeutsche Verein, der zehn Mal in Folge Deutscher Meister geworden ist und auch in diesem Jahr noch beste Chancen auf das ultimative Triple aus Meisterschaft, Pokalsieg und Champions-League-Triumph hat. In der Liga ist man zwar trotz eines bombastischen Torverhältnisses aus Versehen gerade auf Platz zwei abgerutscht. Das lässt sich aber schon kommende Woche im direkten Duell mit Dortmund wieder korrigieren.
Allerdings steht tatsächlich zu befürchten, dass die Bayern diesmal nicht wie üblich schon zwei Monate vor Saisonende als Meister feststehen. Welch unwürdige Zwischenbilanz. Da mussten die Bayern-Bosse jetzt echt mal ganz dringend die Reißleine ziehen.
Zu viele Baustellen, Pleiten und Konflikte: ein Rückblick auf Nagelsmanns Zeit bei den Bayern

"Wenig Liebe, wenig Herz"
Über den Rauswurf von Julian Nagelsmann wundern sich wohl nicht nur die Weltstars Mbappé und Messi, denen die vermeintlichen Krisen-Bayern in der Königsklasse gerade nicht den Hauch einer Chance ließen. Auch die Bayern-Spieler selbst sind von dem Vorgang schwer irritiert. "Kurios" sei das, befand Joshua Kimmich am Samstagabend nach dem Länderspiel, dass er während seiner Abwesenheit so plötzlich einen neuen Cheftrainer vorgesetzt bekomme. "Am Ende des Tages ist so das Geschäft, wenig Liebe, wenig Herz", so Kimmich. "Wir müssen lernen, damit umzugehen und auch mit der Entscheidung zu leben." Später schob Kimmich noch nach, die Aussage sei keine Kritik an der eigenen Vereinsführung gewesen. War sie aber doch.
Denn ebenso wie Mit-Führungsspieler Leon Goretzka widersprach Kimmich deutlich dem zentralen Rauswurf-Argument der Bayern-Bosse, wonach das Verhältnis zwischen Trainer und Spielern nicht mehr gestimmt haben soll. "Ich kann sagen, dass der Trainer nicht die Kabine verloren hat", sagte Kimmich. Und Goretzka, der seine Verbundenheit zu Nagelsmann bereits in den letzten Tagen zum Ausdruck gebracht hatte, tätigte Richtung Sportdirektor Hasan Salihamidzic den vielsagenden Satz: "Ich wäre ja doof, wenn ich jetzt meinem Chef widersprechen würde. Ich persönlich hatte sicherlich keine Risse zu Julian."
Kaltblütigkeit und schlechter Stil
Die Kaltblütigkeit, mit der die Bayern-Führung den Trainer abserviert, der eben noch eine Bayern-Ära prägen sollte, stößt offenbar selbst die hartgesottenen Profis ab. Dabei betont der stolze "Mia san mia"-Verein immer noch gerne, dass er trotz aller Katar-Sponsorings und sonstiger Deals irgendwie doch viel geerdeter sei als die von Öl- und Gas-Milliarden aus Nahost gesteuerten Konkurrenten aus England oder Paris.
Mit dem jüngsten Move haben die Bayern das Gegenteil bewiesen: Obwohl sie das Trainer-Talent Nagelsmann erst vor eineinhalb Jahren für die Unsumme von 25 Millionen Euro geholt haben, setzen sie es nun kaltblütig wieder vor die Tür, weil gerade die Chance bestand, den gefragten Thomas Tuchel zu bekommen. Ganz schlechter Stil auch, dass die Bayern zunächst Tuchel den Job anboten. Und dann erst, als das Gerücht bereits in den Medien kursierte, Nagelsmann über seine bevorstehende Absetzung informierten.
Die Spieler hätten sich von ihrem Trainer entfremdet, so stellen es die Bayern-Bosse dar. Tatsächlich entfremden sich die Bayern immer weiter vom Rest Fußball-Deutschlands. Kein anderer Verein könnte erst so viel Geld für einen Trainer ausgeben, und ihn dann in den Wind schießen, weil er nur auf Platz 2 steht. Dass der Deutsche Meister seit Jahren schon vor der Saison praktisch so gut wie fest steht, nervt Fußball-Fans sowieso. Und ein Verein, der es nicht ertragen kann, wenn er trotz finanzieller Übermacht mal nicht alle Gegner ausnahmslos in Grund und Boden schießt, der ist wirklich unsympathisch.