Am Tag des heutigen Achtelfinals der Fußball-EM zwischen England und Deutschland steigt die Vorfreude auf die Partie. Doch gleichzeitig hagelt es Kritik wegen der Aufstockung der Zuschauer-Zahlen für das Wembley-Stadion. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte mit Blick auf die Delta-Variante, vor allem in Großbritannien seien Zehntausende Zuschauer im Stadion "unverantwortlich". In der "Süddeutschen Zeitung" appellierte Seehofer an die Europäische Fußball-Union Uefa und die britische Regierung, Zuschauerzahlen "deutlich nach unten zu korrigieren". Bis zu 45.000 Fans sind am heutigen Dienstagabend (18 Uhr/ARD und Magenta TV) zugelassen. Für die Halbfinals und das Endspiel sollen sogar 60.000 Zuschauer in das Wembley-Stadion dürfen.
Seehofer verwies darauf, dass bei den EM-Spielen in München eine Auslastung von 20 Prozent der Stadionplätze erlaubt ist. Dies sei "ein Maßstab, der auch für die anderen Austragungsorte gelten könnte, denn man muss in den Konzepten auch die An- und Abreise berücksichtigen". Als Innenminister ist der CSU-Politiker auch für den Sport zuständig.
Großbritannien gilt wegen der Delta-Variante als Virusvariantengebiet
Weil die Corona-Zahlen durch die als besonders ansteckend geltende Delta-Variante zuletzt in Großbritannien wieder stiegen, ist der Schritt umstritten. Deutschland hat Großbritannien wegen der aktuellen Corona-Lage dort als Virusvariantengebiet eingestuft, für Einreisen aus dem Vereinigten Königreich gelten somit strenge Quarantäne-Vorschriften.
Dass die Partien überhaupt in London ausgetragen werden sollen, bezeichnete der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als "eigentlich nicht zu verantworten". Dies ginge "nur mit harter Einhaltung der Regeln und der Abstände", sagte der 73-Jährige dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Uefa und der Deutsche Fußball-Bund müssten "dringend dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden. Der Plan, jetzt noch mehr Leute in die Stadien zu lassen, wie in Wembley, ist unverfroren", sagte der Politiker.
Angst vor Superspreader-Event im Wembley-Stadion
Manche bisherigen Bilder vermittelten den Eindruck, dass die Pandemie vorbei sei. "Das ist ein absolut falsches Signal", sagte Kretschmann. Spiele in vollen Stadien und Zuschauer ohne Abstand oder Masken könnten zum Superspreader-Event werden. "Dieser Leichtsinn macht mich fassungslos", sagte Kretschmann dem RND.
Das einst größte Stadion der Welt und spektakuläre Neubauten – hier wird bei der EM gespielt

- 1996 eröffnet
- Platz für 55.000 Fans
- benannt nach dem verstorbenen niederländischen Nationalspieler Johan Cruyff
- vier EM-Spiele (13. Juni: Niederlande – Ukraine, 17. Juni: Niederlande – Österreich, 21. Juni: Nordmazedonien – Niederlande, 26. Juni: Achtelfinale)
- Besonderheit: das zu schließende Dach
Zu Vorsicht mahnte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Am Spielort München und in Deutschland allgemein sei es bislang "gut gelaufen", sagte Söder der "Bild". Man habe sich "ganz bewusst dafür entschieden, so lange abzuwarten, bis klar war, wie sich die Inzidenzen bei uns entwickeln", sagte er mit Blick auf eine Zulassung von Fans und betonte: "Ich möchte halt nicht, dass es uns einholt."
Dass in Budapest mehr als 55.000 Zuschauer in das Stadion durften, hält Söder für einen Fehler. "Ich hätte das in Ungarn so nicht gemacht, hätte das nicht verantworten wollen. Ausgangspunkt für ein Superspreader-Event zu sein, das ist der Fußball in dem Verhältnis nicht wert. Genießen ja, aber genießen mit Verstand", sagte Söder.
Auch EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas mahnte die Uefa zu Vorsicht. Der Verband müsse eine Entscheidung über ein EM-Halbfinale und EM-Finale in einem stark gefüllten Stadion in Wembley sorgfältig abwägen, sagte er. Er erinnerte daran, dass Großbritannien die Reisemöglichkeiten seiner Bürger einschränke und es einer "gewisse Symmetrie" und Verhältnismäßigkeit bei diesen Entscheidungen brauche.
Kritik am Corona-Kurs der Verantwortlichen bei der Fußball-EM
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen warnte vor Nachlässigkeit. "Es besorgt mich als Gesundheitspolitiker und Arzt gleichermaßen, wenn trotz des rasanten Anstiegs gefährlicher Virusvarianten an den dicht-gedrängten Fußballstadien, oftmals ohne ausreichenden Abstand und Maske, festgehalten wird", sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Dahmen wandte sich generell gegen den derzeitige Corona-Kurs der EM-Verantwortlichen. "Inzwischen sind ja sogar Nationalspieler mehrerer Mannschaften infiziert", sagte er. "Wir machen so alles kaputt, was wir uns an niedrigen Fallzahlen aufgebaut haben."