In einem irrwitzigen Pokal-Krimi hat der FC Bayern München einen bösen K.o. vor dem Bundesliga-Kracher gegen Borussia Dortmund so eben noch abgewendet. Der deutsche Rekordchampion besiegte am Mittwochabend nach einer Roten Karte für Fußball-Nationalspieler Niklas Süle (16. Minute) in Unterzahl einen entfesselt auftretenden Zweitligisten 1. FC Heidenheim so gerade noch mit 5:4 (1:2). Der Spielverlauf riss die 75.000 Zuschauer in der ausverkauften Allianz Arena mit: 1:0, 1:2, 4:2, 4:4 hießen die Durchgangsstationen bis zum entscheidenden Tor von Robert Lewandowski. Der eingewechselte Pole verwandelte in der 84. Spielminute einen Handelfmeter zum Happy End für die Bayern.
Zuvor hatten Leon Goretzka (12.), Thomas Müller (53.), erstmals Lewandowski (56.) und Serge Gnabry (65.) für die wankenden Münchner getroffen. Bei den Gästen, die nach dem Platzverweis von Süle ganz groß aufspielten, wäre der dreifache Torschütze Robert Glatzel (26./74./77., Foulelfmeter) fast zum Pokalhelden geworden. Die 2:1-Pausenführung hatte für den Außenseiter Kapitän Marc Schnatterer erzielt. Die Bayern ließen in jedem Fall viele Kräfte vor dem BVB-Duell.
Thomas Müller: "Es war verrückt"
"Ich weiß gar nicht, wie ich es einordnen soll. Dass wir nach einer 4:2-Führung wieder auf 4:4 gehen, kann uns nicht gefallen. Das muss man erstmal verdauen", sagte Thomas Müller und ergänzte: "Trotzdem war die zweite Halbzeit positiv, auch wenn es verrückt war. Dieses moralische Plus müssen wir für die nächsten Tage nutzen, den Arsch zusammenkneifen und gegen die Dortmunder gewinnen."
"Die ganz große Erkenntnis ist, dass wir vier Tore gekriegt haben gegen einen Zweitligisten. Das darf nicht passieren", monierte Nationalspieler Leon Goretzka. Anders fielen die Reaktionen auf der Gegenseite aus. "Wir sind stolz auf die Leistung. Nach dem 4:4 habe ich gedacht: Jetzt gewinnen wir. Dann hätten wir Geschichte geschrieben", sagte Heidenheims Trainer Frank Schmidt.
Video-Schiedsrichter entscheidet auf Rot für Süle
Nur in den ersten Minuten dieses Pokalfilms lief alles nach dem erwarteten Drehbuch. Nach einem Eckball von Joshua Kimmich köpfte Goretzka das 1:0. Das war's dann wohl, dachten die meisten Zuschauer in der Arena. War es aber nicht, weil Nationalspieler Süle nach einem Fehlpass von Thiago in Robert Andrich rauschte und den Heidenheimer mit seinem Foul eine Großchance raubte. Schiedsrichter Guido Winkmann zog die Gelbe Karte. Er korrigierte aber nach Intervention des Video-Assisteten sein Urteil nach eigener Anschauung der TV-Bilder und zückte doch Rot.
Heidenheims Spezialist Schnatterer zirkelte den fälligen Freistoß aus 20 Metern an die Latte. Bayern-Coach Niko Kovac musste handeln: Süles Position im Abwehzentrum übernahm Jérôme Boateng, weichen musste bei dem taktischen Wechsel Franck Ribéry. Heidenheim erkannte die Gunst der Überzahl: Schnatterers präzise Flanke köpfte Glatzel freistehend ins Tor. Und es kam noch besser, die Gäste konterten die unsortierten Münchner blitzsauber aus. Sebastian Griesbeck servierte den Ball klasse auf Schnatterer. "Mister Heidenheim" überwand aus halbrechter Position Sven Ulreich, der erneut den angeschlagenen Manuel Neuer im Tor vertrat. 1:2 - zur Pause schwebten die Bayern in großer Not.
FC Bayern muss nach 4:2 das 4:4 hinnehmen
Kovac ging nun wie beim Pokern "All-in". Er brachte die zunächst geschonten Offensiv-Asse Robert Lewandowski und Kingsley Coman. Vor allem der Einsatz des leicht erkrankten Lewandowski war ein Gewinn. Die Kopfballvorlage des Polen verlängte Müller aus der Drehung volley ins Tor. Drei Minuten später war's umgekehrt: Müller auf Lewandowski, Tor, 3:2. In Unterzahl hatte der Favorit das Spiel wieder gedreht. Gnabry legte nach. War's das jetzt? Nein. Glatzel verkürzte. Und der Österreicher glich mit einem Elfmeter nach Foul von Mats Hummels an Maurice Multhaup sogar aus.
Gnabry traf danach die Latte, bevor Heidenheims Multhaup frei vor Ulreich auftauchte und den Underdog in Führung hätte schießen können. Doch der Bayern-Keeper parierte den Schuss. Wenig später gab's Elfmeter - und der nervenstarke Lewandowski rettete die Bayern.
FC Schalke 04 - Werder Bremen 0:2 (0:0)
Nicht annähernd so dramatisch war das letzte Viertelfinale dieser Pokalrunde auf Schalke. Dort agierte Werder Bremen so souverän und erfolgreich wie zuletzt und setze die Erfolgsserie aus der Bundesliga fort. Die Hanseaten stehen damit erstmals seit 2016 wieder im DFB-Pokal-Halbfinale. Mit dem 2:0 (0:0) komplettierten die Bremer die Runde der letzten Vier. Zuvor hatten Zweitligist Hamburger SV, RB Leipzig und Rekordchampion FC Bayern München das Weiterkommen geschafft. Die Bremer Tore erzielten vor 61.597 Zuschauern Milot Rashica (65. Minute) und Davy Klaasen (72.). In der Schlussminute sah der Bremer Nuri Sahin die Gelb-Rote Karte wegen wiederholten Foulspiels. Er wird daher im Halbfinale fehlen.