Mit Reisen an Orte, mit denen man große Erinnerungen verknüpft, ist das immer so eine Sache. Die Erinnerung überstrahlt die Gegenwart, sie überlagert das Aktuelle. Nun dürfte Manuel Neuer nicht die gesamte Zeit an seine Torwart-Sternstunde aus dem Jahr 2008 gedacht haben, als er am Mittwochabend im Estádio do Dragão in Porto auflief. Aber dass der Abend mit dem FC Bayern die vergangenen Erinnerungen mit dem FC Schalke gleich ruinieren würde, das hatte er wohl nicht erwartet.
Nur zwei Minuten waren gegen den FC Porto in der Gegenwart gespielt, da hätte Manuel Neuer sich nicht beschweren dürfen, wenn er gar nicht mehr auf dem Platz gestanden hätte. Nach einem F-Jugend-Ballverlust von Xabi Alonso stürmte Portos Angreifer Jackson Martinez alleine auf Neuer zu, der grätschte, traf den Gegner. Elfmeter. Und zum Glück für die Münchner "nur" Gelb für Neuer.
Kahns Kritik: "Neuer zögert ganz kurz"
Ein denkbar schlechter Start. Für den FC Bayern und für Manuel Neuer. Der rettete seinem Team in der zweiten Halbzeit zwar mit einer überragenden Parade vor einem höheren Rückstand (zu dem Zeitpunkt stand es noch 1:2). Doch auch Neuer zeigte erstmals in einem wichtigen Spiel Nerven - er patzte zwar nicht, doch auch er hatte schon souveränere Auftritte und erlebte mit dem Team einen schwarzen Abend. Neuer servierte einen Abschlag in die Mitte zum Gegner (54. Minute) und reagierte auch beim 1:3 nicht so wie ein Manuel Neuer normalerweise reagiert.
Beim dritten Gegentreffer unterlief zwar Jerome Boateng der entscheidende Fehler, er sprang am Ball vorbei, und Jackson Martinez konnte erneut alleine auf Neuer zulaufen. Doch der Bayern-Keeper kam ebenfalls nur zögerlich raus. ZDF-Experte Oliver Kahn kritisierte: "Manuel zögert einen ganz kurzen Moment, weil er kurz darüber nachdenkt, wenn ich jetzt wieder dazwischen fege, dann muss ich wirklich vom Platz. Dieses minimale Zögern reicht aus, dass der Stürmer es etwas einfacher hat."
Die Statistik macht keinen Mut fürs Rückspiel
Die Reise in die Vergangenheit hatte sich Manuel Neuer also sicher anders vorgestellt. Nach Spielschluss stand er enttäuscht vor den TV-Kameras: "So ein Spiel kann natürlich immer passieren. Wir haben das alle zusammen verbockt", sagte er. Zur Elfmeter-Situation gab der Welttorhüter ehrlich zu: "Der Elfer geht in Ordnung, Ich habe ihn auf jeden Fall berührt." Neuer blickte danach bereits voraus aufs Rückspiel am kommenden Dienstag. "Gegen Basel vor einigen Jahren und gegen Donezk haben wir gezeigt, dass wir nach schwachen Hinspielen starke Leistungen zeigen können."
Gut, dass Neuer keinen Blick zurück geworfen hat. Weder auf die eigene Leistung mit Schalke noch auf die Europa-Pokal-Historie des FC Bayern. Die Statistik macht nämlich keinen Mut: Nach einer Zwei-Tore-Niederlage auswärts flogen die Bayern im Europapokal immer raus. Da bleibt nur eins: Nach vorne schauen und neue Erinnerungen schaffen.