Auf die souveräne Tour hat Juventus Turin das Finale der Champions League 2017 erreicht. Das Weiterkommen des Teams von Trainer Massimiliano Allegri war in beiden Spielen gegen den AS Monaco eigentlich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Gefahr. Ebenso wenig wie der 3:0-Hinspielerfolg von Real Madrid gegen den Stadtrivalen Atlético. Heute dürften die "Königlichen" der "alten Dame" ins Endspiel folgen - jener Partie, die auch der FC Bayern gerne bestritten hätte.
Zwei Gründe, warum die Münchner am 3. Juni nicht spielen, sondern irgendwo vor dem Fernseher sitzen werden, stehen dann voraussichtlich in Cardiff auf dem Platz: Sami Khedira im Turiner Trikot (sofern sich seine gestern gegen Monaco erlittene Oberschenkelverletzung nicht als zu langwierig entpuppt), Toni Kroos im Weiß der Madrilenen (sofern im Estadio Vicente Calderon heute Abend nicht noch ein Fußball-Wunder geschieht). Wer Khedira in dieser Saison an der Seite von Miralem Pjanic in der Juve-Zentrale gesehen hat, wer sieht, wie gut sich Kroos und sein kongenialer Partner Luka Modric im Real-Mittelfeld ergänzen, der weiß: Eine gut geölte Sechs ist in der internationalen Spitzenklasse dieser Tage der Schlüssel zum Titel.
FC Bayern: Das Problem liegt im Mittelfeld
Und genau da hapert es beim FC Bayern schon länger. Es ist nicht nur der fehlende Backup-Stürmer für Robert Lewandowski. Es sind vor allem auch die Baustellen am offenen Mittelfeld-Herzen, die in den letzten Jahren für die fehlenden Prozent verantwortlich sind: Xabi Alonso hat nicht mehr die Weltklasse vergangener Tage, Arturo Vidal ist nicht souverän genug, um zuverlässig zu sein, Javì Martinez ist zu oft verletzt, der alt gewordene Bastian Schweinsteiger wurde längst verabschiedet.
Mitten im Mittelfeld fehlt den Bayern deshalb Konstanz und (allerhöchste) Klasse. Mit Kroos und Khedira hätten sie diese Sorgen nicht. Und was ein bisschen zu sehr nach "Was wäre, wenn" klingt, ist leider ein berechtigter Einwand. Denn: Beide könnten heute (noch) im Dress des deutschen Rekordmeisters spielen.
Sami Khedira war schließlich immer mal wieder im Gespräch an der Säbener Straße. 2014 zum Beispiel, als sich der Abschied des Ex-Stuttgarters aus Madrid andeutete. Es gibt Gerüchte, die besagen, dass Philipp Lahm sich damals intern gegen eine Verpflichtung von Khedira ausgesprochen habe. Außerdem habe die Klubführung Zweifel gehabt, ob die Aufnahme eines bei Real vermeintlich Aussortierten das richtige Signal an die Konkurrenz senden würde. Auch 2016 ging es in München offenbar noch einmal um Khedira, da dieser auf der Wunschliste des neuen Bayern-Trainers Carlos Ancelotti gestanden haben soll. Auch daraus wurde nichts.
Toni Kroos: Verkauf "aus wirtschaftlichen Gründen"
Noch erstaunlicher war in der Personalpolitik der letzten Jahre bei den Bayern nur der Abschied von Toni Kroos aus München. Der damalige Trainer Pep Guardiola soll vehement für den Verbleib seines Lieblingsspielers (oder besser: eines seiner vielen Lieblingsspieler) votiert haben, wurde von der Klubführung aber nicht erhört. Viele im Verein sollen angeblich nicht vergessen haben, dass der sichere Schütze Kroos sich im verlorenen Champions-League-"Finale dahoam" 2012 gegen den FC Chelsea im Elfmeterschießen gedrückt hatte.
Kaum zu glauben zwar, dass man Kroos nur aus diesem Grund hat ziehen lassen. Offiziell hieß es dann auch, der Verkauf habe wirtschaftliche Gründe. Die Bayern waren nicht bereit, sein Gehalt auf jenes Niveau anderer Schlüsselspieler anzuheben, das Kroos sich vorstellte. Real Madrid bedankte sich und bezahlte die 30 Millionen Ablöse quasi aus der Portokasse. Nüchtern betrachtet hätte der heute 27-Jährige im internationalen Vergleich schon damals ungefähr doppelt so teuer sein müssen. Heute liegt sein Marktwert laut transfermarkt.de bei 60 Millionen Euro.
Im Mittelfeld von Madrid ist er jeden Cent wert. Genau wie Khedira in Turin. Das berechtigt sie höchstwahrscheinlich zur Teilnahme am Champions-League-Finale in Cardiff. Die Bayern sind dann schon längst im Urlaub. Oder mit der Personalplanung für die nächste Spielzeit beschäftigt. Dabei sollten sie sich auch nach Alternativen für die Zentrale umschauen, nachdem sie die nahe liegenden Optionen in der Vergangenheit fahrlässig verschmäht haben.
